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Berufung im Völkermord-Verfahren gegen Ratko Mladic

Gericht hat Verzögerungstaktik durchkreuzt

Bozen, Göttingen, 24. August 2020

Zwei Frauen vor den Särgen der Opfer von Srebrenica. Foto: GfbV-Archiv. Zwei Frauen vor den Särgen der Opfer von Srebrenica. Foto: GfbV-Archiv.

Am kommenden Dienstag, den 25. August, soll in Den Haag das Berufungsverfahren von Ratko Mladic beginnen. Ein UN-Tribunal hatte den Oberbefehlshaber der bosnischen Serben 2017 wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstößen gegen die Gesetze oder die Gebräuche des Krieges zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Die Anhörungen zum Berufungsverfahren wurden bereits dreimal verschoben. "Die Verteidigung des Schlächters von Bosnien verfolgte offensichtlich eine Verzögerungstaktik, damit der 77-Jährige das rechtskräftige Urteil nicht mehr erleben muss", vermutet Jasna Causevic, Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Das zuständige Gericht hat diese Taktik aber durchschaut und angekündigt, definitiv am 25. August mit den Anhörungen beginnen zu wollen. Neun Jahre nach Verhandlungsbeginn und 25 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica verdienen die Angehörigen der Opfer Gerechtigkeit und Genugtuung."

Nach 16 Jahren auf der Flucht war Mladic im März 2011 verhaftet worden. Gegen das Den Haager Urteil ging er 2018 in Berufung. Noch vor dem ersten Anhörungstermin hat Mladics Verteidigung die Abberufung dreier Richter wegen angeblicher Voreingenommenheit beantragt. Ein zweiter Termin musste aufgrund eines medizinischen Eingriffes verschoben werden. Beim dritten Anlauf hinderten die Reisebeschränkungen aufgrund der Pandemie einige Richter an der Teilnahme. Mladic selbst kann auf Wunsch von seiner Zelle aus per Video an der Verhandlung teilnehmen.

"Die internationale Gemeinschaft versagt nach wie vor bei der Verhinderung von Genoziden und der konsequenten Umsetzung ihrer Schutzverantwortung", kritisiert Causevic. "Doch auch die Strafverfolgung nach solchen Gräueltaten muss effektiver werden. Denn wenn Täter jahrelang straflos davonkommen, werden andere zu ähnlichen Taten ermutigt." Auch für die Genozide in sechs bosnischen Gemeinden neben Srebrenica trage Mladic Verantwortung, auch dafür müsse er verurteilt werden. Weil er für Verbrechen in Kljuc, Kotor Varoš, Sanski Most, Prijedor, Vlasenica und Foca jedoch zunächst freigesprochen wurde, hat auch die Anklage Berufung eingelegt. "Wir erwarten, dass das Tribunal das erstinstanzliche Urteil bestätigt und Mladics Verantwortung auch für die Verbrechen in den sechs weiteren bosnischen Gemeinden anerkennt. Die Verherrlichung dieses brutalen Schlächters wird damit hoffentlich enden und das Narrativ der Genozid-Leugnung für immer verstummen", so Causevic.

Für Mladics Fall ist der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichte (IRMCT) zuständig. Dieses Tribunal ist der Rechtsnachfolger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien sowie des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda. Für die Anhörungen im Berufungsverfahren sind zwei Tage angesetzt: der 25. und 26. August. Die Öffentlichkeit hat keinen Zugang zum Gerichtssaal, das Verfahren wird aber mit einer Verzögerung von 30 Minuten auf der Website des IRMCT ausgestrahlt (www.irmct.org/en/cases/mict-courtroom-broadcast).