Bozen, Göttingen, 19. März 2004
Die noch im Kosovo verbliebenen Angehörigen
nichtserbischer Minderheiten werden nach Angaben des
Mitarbeiterteams der Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) vor Ort und telephonischen Berichten einzelner Roma und
Aschkali wiederum Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen des
albanischen Mobs. In der Stadt Vucitrn/Vushtri hatten albanische
Radikale am Donnerstag zunächst die orthodoxe Kirche
angezündet und waren dann weiter in das Viertel der Aschkali
gezogen. Dort sollen sie die meisten Häuser der Aschkali
niedergebrannt haben. Gegen 18 Uhr sei die örtliche Polizei
von UN- Verwaltung im Kosovo (UNMIK) beauftragt worden, die 70
dort noch lebenden Aschkali-Familien in Sicherheit zu bringen.
"Wir haben gerade angefangen, wieder Vertrauen zu den Albanern zu
fassen. Nun haben die Aschkali aus Vushtri wieder alles
verloren", klagte ein in Deutschland lebender
Aschkali-Flüchtling während eines
Telephongesprächs mit der GfbV. "Wo sollen wir jetzt hin?"
In den vergangenen Monaten hatten deutsche
Ausländerbehörden trotz der Proteste der GfbV und von
Flüchtlingsräten Aschkali in den Kosovo
abgeschoben.
Auch in Kosovo Polje/Fushe Kosova südlich von Prishtina
seien einige Häuser der etwa 5.000 dort verbliebenen
Aschkali und ein Ladengeschäft angezündet und in
Lipljan/Llapje seien zwei Aschkali- Häuser zerstört
worden. Nach den koordinierten Angriffen albanischer Extremisten
auf die serbischen Dörfer und Städte seien auch die
mehr als 10.000 im Kosovo noch ansässigen Roma wieder in
Panik, berichtete das GfbV- Mitarbeiterteam. Roma leben meist in
serbischen Orten. Überall packten sie ihre Habseligkeiten
zusammen, weil sie das Land verlassen möchten. De facto
seien sie jedoch in ihren Häusern und Wohnvierteln von der
Außenwelt abgeriegelt.
Eine neue Fluchtbewegung der serbisch-sprachigen muslimischen
Goranen aus der Gegend um Prizren ist nach Angaben unseres
GfbV-Büros in Sarajevo zu erwarten. Die Sprecher der 6.000
goranischen Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina hätten
nach den gegenwärtigen Pogromen ihre Rückkehrabsichten
aufgegeben und wiesen darauf hin, dass die Aggressivität
größerer Teile der albanischen Bevölkerung gegen
sie schon wegen ihrer serbischen Sprache immer wieder neu
ausbricht. Von den 18.500 Goranen im Kosovo sind seit 1999 11.500
geflüchtet. Auch Repräsentanten der bosniakischen
Minderheit Kosovos fürchten um ihre Zukunft. Von den 1998
noch 57.000 Bosniaken (damals 3,5 Prozent der
Kosovo-Bevölkerung) sind nur 27.000 im Lande geblieben.
Versicherungen der UNMIK, sie könnten möglicherweise
zurückkehren, werden von den Flüchtlingen in Bosnien
nicht mehr ernst genommen.
In den Monaten nach der Nato-Intervention im Kosovo 1999 hatten
Albaner 90 Prozent der etwa 150.000 Angehörigen der Roma und
Aschkali aus dem Lande gejagt. 30.000 von ihnen waren nach
Deutschland geflüchtet.