Bozen, Göttingen, 17. September 2004
Trotz der Skepsis deutscher
Sicherheitskreise auf Berichte über einen angeblichen
Giftgaseinsatz im Westsudan hat die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) am Freitag in einem Schreiben an den
Bundesnachrichtendienst BND gefordert, die gegen den Sudan
erhobenen Vorwürfe ernsthaft zu untersuchen. Die Angaben
eines Mitarbeiters des Krankenhauses in Al Fashr in der Provinz
Darfur seien zu konkret, um sie pauschal als Fehlinformation
abzutun. Sollten sie zutreffen, bestünde der ernsthafte
Verdacht, dass chemische Waffen in dem Vernichtungskrieg gegen
die schwarzafrikanische Bevölkerung im Westen des Landes
eingesetzt wurden, heißt es in dem GfbV-Schreiben. Nach
Bekanntwerden der Vorwürfe hatten deutsche
Geheimdienstkreise am Mittwoch sudanesische Exilpolitiker
verdächtigt, gezielt Gerüchte gestreut zu haben.
Eine der bedeutendsten kritischen Tageszeitungen der arabischen
Welt, die in Beirut und London erscheinende "Dar Al Hayat", hatte
am 6. August 2004 den alarmierenden Leserbrief des
Krankenhausmitarbeiters abgedruckt. Darin hieß es, eine
Delegation hochrangiger sudanesischer Armeeoffiziere und
fünf weitere Personen hätten Mitte Juni 2004 unter
höchster Geheimhaltung eine neu im Aufbau befindliche
Abteilung in dem Krankenhaus besucht. Nach ihrer Abreise habe
sein Vorgesetzter kategorisch jede Information über den
Besuch und seine Hintergründe abgelehnt. "Stelle nie wieder
diese Frage und erinnere Dich nicht an diesen Besuch. Was Du
gesehen hast, ist nicht passiert", sei dem Mitarbeiter
eingeschärft worden.
Später seien moderne medizinische Geräte in die
Abteilung geliefert worden, die keiner der Angestellten mehr
betreten durfte. Wachen seien eingeteilt worden, um den Zutritt
zu verwehren. Dann sei wiederum eine Besuchergruppe gekommen, die
mehr als zehn Kühlboxen mitbrachte, in denen sich Leichen
befanden. Sudanesische Soldaten hätten den Besuch
überwacht. Die Toten seien aus den Kühlboxen
herausgeholt worden. Sie hätten eine blau-graue Farbe gehabt
und seien mit Kot und Urin beschmutzt gewesen. Später habe
man sie wieder in die Boxen gelegt und unter schwerer Bewachung
abtransportiert, hieß es in dem Leserbrief.