Bozen, Göttingen, 4. November 2004
Mit der Bitte, die demokratische Opposition der Ukraine zur
bevorstehenden Stichwahl deutlich zu unterstützen, hat sich
die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am
Donnerstag an die demokratischen Parteien der Schweiz,
Österreichs, der Beneluxländer und Deutschlands
gewandt. Europa müsse sich gegen die Bestrebungen des
russischen Präsidenten Wladimir Putin wehren, die
europäische Ukraine erneut einem autoritären
'postsowjetischen' Herrschaftssystem zu unterwerfen, heißt
es in den Schreiben der Menschenrechtsorganisation. Die
schwerwiegenden Wahlmanipulationen in der Ukraine seien ein
Anschlag auf die Grundwerte der europäischen Demokratie. Zu
den Manipulationen gehörten die Gleichschaltung des
Fernsehens, die Fälschung der Stimmzettel in nicht von
internationalen Beobachter überwachten Wahllokalen, das
Erfinden von mindestens 120.000 zusätzlichen Stimmen, die
Einmischung der staatlichen Administration in den Wahlkampf und
bei der Stimmabgabe, die tatsächliche Ausschließung
von zehn Prozent der Wähler und nicht zuletzt der
ungeheuerliche Giftanschlag auf den demokratischen Kandidaten
Viktor Juschtschenko.
Die GfbV erinnerte daran, dass Europa der Bevölkerung der
Ukraine besonders verpflichtet ist, weil sie unsäglich unter
den Diktaturen Hitlers und Stalins gelitten hat. Neben den
allseits bekannten furchtbaren Verbrechen der Nationalsozialisten
soll die Ukraine zwischen 1926 und 1937 elf Millionen Menschen
durch die Zwangskollektivierung, die weitgehende Ausrottung der
Kulaken (der so genannten Groß- und Mittelbauern) und die
von Stalin organisierte Aushungerung der ukrainischen Bauern mit
dem Zentrum Scharkiv/Scharkow verloren haben *. Deshalb
sollten sich die demokratischen europäischen Kräfte
besonders bemühen, die Ukraine an Europa
heranzuführen.
* Siehe unter anderem das Standardwerk von Robert Conquest "Ernte des Todes - Holocaust in der Ukraine 1929-1939, München 1988 sowie die damalige Presseberichterstattung während des bis heute vielfach tabuisierten "Hungermordes" in der Neuen Zürcher Zeitung, der österreichischen "Reichspost" und dem jüdischen Forwaerts (New York).