Bozen, Göttingen, 17. März 2005
Die zu einer langjährigen Haftstrafe in China verurteilte
uigurische Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer ist heute aus
humanitären Gründen vorzeitig aus chinesischer Haft
entlassen worden. "Nicht ohne Hintergedanken wird Frau Kadeer
kurz nach Beginn der Jahrestagung der UN-Menschenrechtskommission
in Genf freigelassen", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich
Delius. "Wieder einmal versucht China, mit einer
spektakulären Gefangenenfreilassung eine Verurteilung in
Genf wegen der katastrophalen Menschenrechtslage in der
Volksrepublik zu verhindern." Vor allem die US-Regierung hatte
sich sehr engagiert für die Freilassung der uigurischen
Frauenrechtlerin eingesetzt. Nach Einschätzung von Delius
könnte das Kalkül der chinesischen Führung dieses
Mal aufgehen: "Die US-Regierung ließ heute durchblicken,
dass sie anders als im Vorjahr keine China-kritische Resolution
in der UN-Menschenrechtskommission einbringen wird." Die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hatte sich in
den vergangenen Jahren mit mehreren groß angelegten
Menschenrechtskampagnen für die Freilassung der heute
57-Jährigen engagiert.
Die schwer herzkranke Rebiya Kadeer wird heute Abend in
Washington D.C. (USA) erwartet, wo sie sich einer medizinischen
Behandlung unterziehen wird. Regulär wäre die Mutter
von elf Kindern am 12. August 2006 aus der Haft entlassen worden.
Sie war 1999 in China verhaftet worden, als sie Rechercheuren des
US-Kongresses ein Päckchen mit in China frei
verkäuflichen Zeitungen übergeben wollte. Wegen des
"Verrats von Staatsgeheimnissen" wurde sie im März 2000 in
einem Unrechtsprozess zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Strafe war um zwei Jahre gekürzt worden.
In den 80er Jahren hatte Rebiya Kadeer in China eine
Traumkarriere als Unternehmerin gemacht, bevor sie politisch in
Ungnade fiel. Sie hatte als Wäscherin begonnen, ihren
Lebensunterhalt zu verdienen. Innerhalb weniger Jahre wurde sie
Millionärin und setzte sich vor allem für die Rechte
uigurischer Frauen ein. Systematisch förderte sie die
berufliche Ausbildung dieser muslimischen Frauen in Ostturkestan,
der chinesischen Autonomen Region Xinjiang. Dort wurde sie
aufgrund ihres sozialen Engagements zu einer der beliebtesten
Persönlichkeiten. Nachdem ihr Mann 1996 in die USA geflohen
war, hatten die chinesischen Behörden sie aufgefordert, sich
scheiden zu lassen. Als sie sich weigerte, verlor sie ihr
Parlamentsmandat und wurde unter dem Vorwand des Geheimnisverrats
verhaftet.