Bozen, Göttingen, 5. Oktober 2005
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Mittwoch die sofortige Freilassung des am Samstag unter dem
Vorwurf der Blasphemie verhafteten Herausgebers einer angesehenen
Frauenzeitschrift in Afghanistan gefordert. "Kritische Stimmen
gegen die fortschreitende Islamisierung Afghanistans dürfen
nicht mundtot gemacht werden", erklärte der
GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Der Herausgeber der engagierten
Monatszeitschrift "Frauenrechte", Herr Ali Mohaqiq Nasab, war
festgenommen worden, weil seine Zeitschrift die harte Bestrafung
für Diebstahl und Ehebruch nach dem traditionellen
muslimischen Scharia-Recht kritisiert hatte.
Ein Sprecher des Hohen Gerichtshofes von Afghanistan
bestätigte inzwischen, der Journalist sei nach der Anzeige
eines muslimischen Geistlichen aus Kabul wegen der
Veröffentlichung "anti-islamischer" Artikel verhaftet
worden. Gemäß Artikel 31 des im März 2004 in
Afghanistan beschlossenen Mediengesetzes steht die
Veröffentlichung von Artikeln unter Strafe, die "den
Prinzipien des Islam widersprechen". Dem Herausgeber des Magazins
drohe zwar nur eine Geldstrafe, doch mehrmals hätten der
Blasphemie beschuldigte Journalisten nach ihrer Haftentlassung
das Land verlassen müssen, da ihr Leben akut gefährdet
gewesen sei. So sei es im Jahr 2003 den Herausgebern der
Wochenzeitung Aftab Afghanistan ergangen. Obwohl sie vom Vorwurf
der Gotteslästerung freigesprochen worden seien, hatten sie
Morddrohungen erhalten.
Der Nationale Ulema Rat, dem unter Vorsitz des umstrittenen
äußerst konservativen Obersten Richters Fazl Hadi
Shinwari mehr als einhundert muslimische Geistliche
angehören, hatte die unabhängigen Medien Afghanistans
in den vergangenen Monaten mehrmals wegen ihrer "unmoralischen"
und "unislamischen" Berichterstattung scharf kritisiert. Die
Regierung hatte der Ulema Rat ultimativ aufgefordert,
Fernsehprogramme, die gegen die Scharia verstoßen, zu
verbieten.