Von Ulrich Delius
Auch in der sudanesischen
Führung ist das brutale Vorgehen gegen die
Zivilbevölkerung in Darfur nicht unumstritten. So erhielt
die GfbV aus Kreisen der sudanesischen Regierung Dokumente
zugespielt, die darauf hindeuten, dass die sudanesische Armee die
Janjaweed-Milizen auch mit Waffen aus deutscher Lizenzproduktion
ausgerüstet hat. Das Regime leugnet seit Monaten jede
Zusammenarbeit mit den Janjaweed, insbesondere streitet die
sudanesische Führung unter Feldmarschall Omar Hassan al
Bashir ab, die Milizen bewaffnet zu haben. Doch von der
sudanesischen Verwaltung wurde akribisch in Listen festgehalten,
welche Waffen an welche Milizionäre ausgegeben wurden -
unter namentlicher Angabe des Janjaweed-Kämpfers, des Chefs
seiner Miliz und der Seriennummer der Waffe.
Dutzende solcher Listen, die die Bewaffnung der Janjaweed durch
die sudanesische Armee dokumentieren, liegen der GfbV vor.
Gemäß dieser Geheimdokumente wurden mindestens 134
Milizionäre in Darfur mit G 3-Gewehren aus deutscher
Lizenzproduktion ausgerüstet. Weitere 295 Milizionäre
wurden mit Kalaschnikov-Waffen ausgestattet. Mit diesen
Schnellfeuergewehren verüben die Janjaweed Völkermord
in Darfur. Da die Zivilbevölkerung und die Flüchtlinge
unbewaffnet sind, genügt den Janjaweed diese einfache
Bewaffnung mit Kleinwaffen, um Völkermord zu begehen.
Der Tod aus Württemberg
Das von der Firma Heckler & Koch
in Oberndorf (Baden-Württemberg) in den 50er Jahren
entwickelte Schnellfeuergewehr G 3 ist heute in aller Welt
verbreitet. Rund zehn Millionen G 3-Gewehre aus Deutschland oder
aus deutscher Lizenzproduktion kamen in den Kolonialkriegen in
Afrika, in Türkisch-Kurdistan, in Burma, Osttimor, Pakistan,
Kolumbien und den Golfkriegen zum Einsatz und töteten
zehntausende Menschen. Die Sturmgewehre made in Oberndorf
schießen fast überall in der Welt mit. Neben der
Kalashnikov AK 47, der M16 und der israelischen Uzi zählt
das G 3 zu den am meisten auf den Schlachtfeldern eingesetzten
Kleinwaffen. Rund 90 Prozent aller Kriegsopfer gehen auf das
Konto von Kleinwaffen, jedes Jahr sterben schätzungsweise
eine halbe Million Menschen durch Kleinwaffen.
Bereits in den 70er Jahren protestierte die Gesellschaft für
bedrohte Völker gegen Völkermord mit deutschen Waffen
und gegen die laxe Rüstungsexportpolitik der
Bundesregierung, die nicht nur mit der rücksichtslosen
Vergabe von Lizenzen bewaffnete Konflikte und Genozid in aller
Welt anheizte. Denn auch in Deutschland hergestellte G 3-Gewehre
fanden trotz deutscher Rüstungsexportbestimmungen ihren Weg
zu den wichtigsten Kriegsschauplätzen der Welt. So lieferte
Heckler & Koch Waffenteile an das britische Unternehmen Royal
Ordnance oder an Lizenznehmer in Frankreich und Saudi-Arabien,
die die Schnellfeuergewehre dann unter Umgehung der deutschen
Ausfuhrbestimmungen an Spezialeinheiten der DDR,
Guerillabewegungen in Südamerika und palästinensische
Terrorkommandos verkauften.
Die meisten dieser in Württemberg entwickelten Waffen wurden
nicht in Oberndorf hergestellt, sondern in Lizenzproduktion im
Ausland gefertigt. Zwischen 1961 und 1981 wurden von CDU/CSU, FDP
und SPD geführten Bundesregierungen Lizenzen zur Herstellung
des Schnellfeuergewehres an Unternehmen in 15 Staaten vergeben.
Nicht Heckler & Koch, sondern die Bundesregierung vergab die
Lizenzen, da der Bund 1959 von einem spanischen
Rüstungsproduzenten die Rechte für die Lizenzvergabe
für ein Vorläufermodell des G 3 erworben hatte. So
wurden G 3-Waffen schon während der Salazar-Diktatur in
Portugal gefertigt, Unternehmen in Pakistan, Burma, Türkei,
Iran, Philippinen, Malaysia, Thailand, Saudi-Arabien, Brasilien,
Mexiko, Griechenland, Frankreich, Norwegen und Schweden stellen
das Schnellfeuergewehr zum Teil auch heute noch in
Lizenzproduktion her. Darüber hinaus vergab die
Bundesregierung bis 1988 nach Auskunft des früheren
Parlamentarischen Staatssekretärs im
Bundesverteidigungsministerium, Willy Wimmer,
Ausfuhrgenehmigungen für G 3-Gewehre für mehr als 80
Staaten. Die Armeen von mehr als 50 Ländern sind mit dieser
Waffe ausgerüstet. Auch in der Bundeswehr sowie in anderen
NATO-Armeen gehörte dieses Sturmgewehr lange zur
Grundausstattung. In der Bundeswehrzeitschrift "Heer" wurde das
Sturmgewehr als "Braut des deutschen Soldaten" bezeichnet. Nach
Jahrzehnten des intensiven Einsatzes gilt die Waffe in der
Bundeswehr heute als veraltet.
Lizenzproduktion trotz Weiterverkauf an
Drittländer
In Darfur und anderen Kriegsgebieten sorgen die in Oberndorf
entwickelten Waffen noch immer für Schrecken und Tod. Die in
Darfur eingesetzten Gewehre stammen mit größter
Wahrscheinlichkeit aus iranischer Lizenzproduktion. 1991 lieferte
der Iran 50.000 G 3-Gewehre an den Sudan. Die Waffen wurden
vermutlich in der Mosalsalsasi Weapons Factory (MWF) produziert,
die 1968 mit bundesdeutscher Hilfe aufgebaut worden war. Auch
hatte die Bundesregierung 1973 dem Regime des Schahs Reza Pahlevi
10.000 G 3-Gewehre geschenkt.
In den 90er Jahren unterhielt der Sudan intensive
militärische Beziehungen mit dem Iran. Zwischen 1992 und
1997 besuchten iranische Militärs und Politiker mehr als
hundert Mal Khartum. Teheran gewährte dem Sudan Hilfen im
Wert von 180 Millionen US-Dollars, vor allem zum Kauf von Waffen
und preiswerten Öls. Die Regierungen beider Staaten
unterzeichneten mehr als 30 bilaterale Verträge, die von der
Ausbildung von Armee- und Geheimdienstoffizieren bis zum Ausbau
der landwirtschaftlichen Kooperation reichten. In einem 1995
unterzeichneten Geheimprotokoll sicherte der Iran dem Sudan
finanzielle Hilfe beim Aufbau der radikal-islamischen
Volksbefreiungskräfte zu.
Waffenlieferungen verletzen
Rüstungsexportbestimmungen
Im Iran werden jedes Jahr bis zu 100.000 G 3-Schnellfeuergewehre
hergestellt. Die Lizenz dazu hatte die Bundesregierung 1967 dem
Regime von Persien erteilt. Dabei hatte sich Persien
verpflichtet, gemäß § 17 Absatz 2 der
Außenwirtschaftsverordnung keine in deutscher Lizenz
gefertigte G 3-Waffen in Drittländer zu exportieren. Bei
Verstößen gegen diese Endverbleibsverpflichtung kann
die Ausfuhrgenehmigung nachträglich aufgehoben und neue
Exportgenehmigungen können verweigert werden. Doch bis heute
ist kein Fall bekannt geworden, in dem die Vergabe einer Lizenz
zur G 3-Produktion von der Genehmigungsbehörde wegen eines
Regelverstoßes zurückgezogen wurde. Obwohl bereits
wenige Jahr nach Vergabe der ersten Lizenzproduktionen von G
3-Waffen deutlich wurde, dass die Schnellfeuergewehre in
bewaffneten Konflikten in aller Welt eingesetzt wurden, wurden
bis 1981 weiterhin Lizenzen zur Auslandsfertigung dieser Waffe
von der Bundesregierung erteilt.
Die iranischen Waffenlieferungen an den Sudan sind seit 1992
bekannt, doch die deutsche Bundesregierung hat niemals offiziell
gegen die Verletzung der Endverbleibsregelung durch Teheran
protestiert oder sonstige Konsequenzen aus der Verletzung der
deutschen Rüstungsexportbestimmungen gezogen.
Lizenzproduktion als Umweg
Nach der Genehmigung der G 3-Lizenzproduktion in Persien durch
die Bundesregierung baute die bundeseigene
Fritz-Werner-Industrie-Ausrüstungen aus Geisenheim in den
70er Jahren eine Waffen- und Munitionsfabrik zur Herstellung der
Schnellfeuergewehre im Iran auf. Das wirtschaftlich angeschlagene
Bundesunternehmen verdiente bis zum Sturz des Schah-Regimes 1979
viel Geld im Iran. Mehr als 300 Mitarbeiter von Fritz-Werner
waren in Persien tätig und bauten dort Unternehmen zu
Herstellung von Maschinenpistolen sowie Infanterie-, Mörser-
und Artilleriegeschossen auf. Sogar im Raketenbau leisteten die
Geisenheimer Hilfe. Auf Wunsch des Schahs demontierten sie eine
sowjetische Sam-7 Rakete und transportierten sie nach
Deutschland, um Maschinen für deren Nachbau zu entwickeln.
Als im Herbst 1978 Oppositionelle mit ihren Protesten das
Schah-Regime immer mehr in Frage stellten, lieferten die
Geisenheimer 15.000 Handschellen und 300 Schlagstöcke.
Ende der 60er Jahre baute Fritz Werner eine Munitionsfabrik im
Nordsudan auf. Auch in Indonesien, Birma, Libyen, Thailand,
Saudi-Arabien, Nepal, Algerien, Guinea und Israel errichtete das
Unternehmen mit Wissen der deutschen Bundesregierung Fabriken zur
Waffen- und Munitionsherstellung. Im ersten Golfkrieg
rüstete Fritz Werner sowohl den Iran als auch den Irak mit
Waffen aus. Es waren auch Techniker der bundeseigenen
Rüstungsschmiede, die 1970 während des
Völkermordes in Biafra die einzige Munitionsfabrik Nigerias,
die Nigerian Defense Factory in Kaduna, warteten und in Betrieb
hielten. Hunderttausende Angehörige ethnischer Minderheiten
fielen in den letzten vier Jahrzehnten Genozidverbrechen mit
deutschen Waffen zum Opfer.
Geht es nach dem Willen von Heckler & Koch, dann sollte in
den kommenden Jahren das G 36, die Fortentwicklung des G 3,
weltweit mit Lizenzproduktionen Verbreitung finden.
Auch nach der Verabschiedung der neuen politischen
Grundsätze der rot-grünen Bundesregierung zum
Rüstungsexport kommt der Tod nur allzu oft aus
Deutschland.
Aus pogrom-bedrohte Völker 228 (6/2004)