Bozen, Göttingen, 30. Januar 2006
Das wahre Ausmaß des Massakers an sudanesischen
Flüchtlingen in Kairo vor genau einem Monat wird von der
ägyptischen Regierung bis heute verschleiert. Diesen
schweren Vorwurf hat die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) am Montag erhoben. "Nach Aussagen von
Augenzeugen und Angehörigen könnten mehr als 200
Flüchtlinge bei dem Polizeieinsatz getötet worden sein,
darunter auch Kinder", berichtete der GfbV-Afrikareferent Ulrich
Delius. Die ägyptischen Behörden behaupten bis heute,
bei der gewaltsamen Räumung eines Parkes am 30. Dezember
2005 seien 27 Menschen zu Tode gekommen. Dort warteten rund 3.000
Flüchtlinge aus der Genozidregion Darfur und aus dem
Südsudan monatelang auf eine Übersiedlung in
Drittländer.
Augenzeugen haben nach Angaben der Sprecher der Flüchtlinge
den Tod von 76 Asylsuchenden bestätigt. Weitere 189 Personen
werden noch vermisst. Unterstützung bei den Versuchen, das
Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, käme von den
Behörden jedoch nicht. Immer wieder würden Sudanesen
daran gehindert, in den Krankenhäusern der ägyptischen
Hauptstadt nach verletzten Kindern zu suchen, die nach dem
Massaker von Rettungskräften abtransportiert worden seien.
Auch die Herausgabe der Leichname an die Angehörigen werde
verweigert. "Die ägyptischen Behörden missachten
humanitäre Mindeststandards, wenn sie den Angehörigen
der Getöteten noch nicht einmal erlauben, die Leichname
ihrer Religion gemäß zu bestatten", kritisierte die
GfbV. Einige Tote seien in Zusammenarbeit mit der sudanesischen
Botschaft in Kühlboxen in den Sudan überführt
worden, ohne die Hinterbliebenen darüber zu
informieren.
Die geheime Überführung der Leichen lege den Verdacht
nahe, dass jede nähere unabhängige Untersuchung der
Todesursachen verhindert werden solle, sagte Delius.
"Tatsächlich ist es mehr als fraglich, ob alle Opfer des
Massakers durch den Einsatz von Wasserwerfern und eine
anschließende Massenpanik zu Tode gekommen sind, wie von
den ägyptischen Behörden behauptet wird." sagte Delius.
Nur unabhängige Gerichtsmediziner könnten diesen
Verdacht ausräumen. Die 30.000 legal in Ägypten
lebenden sudanesischen Flüchtlinge und die mehreren
zehntausend nicht anerkannten Asylbewerber klagen seit Jahren
über Rassismus und Ausländerfeindlichkeit.