Bozen, Göttingen, Wien, 30. August 2007
Anlässlich der Wiederaufnahme der Gespräche
über die Zukunft des Kosovo am heutigen Donnerstag in Wien
bedauert die Gesellschaft für bedrohte Völker
International (GfbV), dass nur die serbischen und albanischen
Konflikt-Parteien, nicht aber die Vielfalt der im Kosovo lebenden
diskriminierten oder benachteiligten Minderheiten in die
Verhandlungen mit der Kosovo-Troika einbezogen sind. "Diese
Missachtung der kleineren Volksgruppen widerspricht dem
ständig wiederholten, aber in keiner Weise eingelösten
Anspruch der internationalen Gemeinschaft, im Kosovo eine
multikulturelle, dem Schutz der Minderheiten verpflichtete
Situation zu schaffen", erklärte der Präsident der GfbV
International, Tilman Zülch. Der Menschenrechtler forderte,
dass die internationale Gemeinschaft eine repräsentative,
von den albanischen und serbischen Behörden des Kosovo
unabhängige Vertretung der Minderheiten als dritten
gleichberechtigten, permanent zu konsultierenden
Gesprächspartner anerkennt.
Während die nicht-serbischen Minderheiten – die
Aschkali, Roma und "Kosovo-Ägypter", die
slawisch-muslimischen Volksgruppen der Goranen, Torbesch/Pomaken
und Bosniaken sowie die Kroaten, die Türken und die winzige
Minderheit der Tscherkessen - bis zum Einmarsch der Nato 1999 im
Kosovo mit etwa 240.000 Angehörigen rund zwölf Prozent
der Bevölkerung bildeten, ist ihr Anteil bis heute auf etwa
fünf Prozent zusammengeschmolzen. Grund dafür seien
fortgesetzte Diskriminierung oder – wie im Fall der Roma
und Aschkali – aktive Verfolgung durch Extremisten aus der
albanischen Mehrheitsbevölkerung. Schutz vor
Übergriffen und Hilfe beim Wiederaufbau sei Angehörigen
dieser Minderheiten wenn überhaupt, dann nur minimal
gewährt worden, kritisierte Zülch. So seien nur 400 der
14.500 meist von albanischer Seite zerstörten Häuser
der Roma und Aschkali wieder aufgebaut worden.
Gravierende Menschenrechtsverletzungen und alltägliche
Drohungen gegen Gemeinden und Einzelpersonen von Roma, Aschkali,
Ägyptern, Gorani, Torbesch, Bosniaken, Türken, Kroaten
oder Juden würden meist nicht polizeilich verfolgt und
dokumentierten insofern das tragische Versagen der
internationalen Übergangsverwaltung des Kosovo (UNMIK)
gegenüber den zu schützenden Minderheiten. Die
Bewegungsfreiheit von vielen Angehörigen der Minderheiten
sei bis heute eingeschränkt. Noch immer existierten
Flüchtlingslager für Roma, Aschkali und
Kosovo-Ägypter, die zum Teil auf Blei verseuchten Böden
in der Nachbarschaft von Abraumhalden errichtet worden seien.
Eigentumsrechte von Minderheitenangehörigen an Grund und
Boden würden in unzähligen Fällen nicht anerkannt.
Bis heute seien die Angehörigen der kleineren Volksgruppen
im Kosovo auf dem Arbeitsmarkt stark benachteiligt oder
würden gar nicht berücksichtigt.