Bozen, Göttingen, 26. Mai 2004
Der von seinem Amt als UN-Verwaltungschef im Kosovo
zurückgetretene ehemalige finnische Ministerpräsident
Harri Holkeri hinterlässt dort nach Auffassung der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) einen
Scherbenhaufen. "Die UN-Zivilverwaltung UNMIK hat im Kosovo in
Sachen Minderheitenpolitik total versagt, denn sie hat es nicht
verhindert, dass dort eine typische Apartheidgesellschaft
entstanden ist", kritisierte der Präsident der GfbV
International, Tilman Zülch, am Mittwoch in Göttingen.
Die GfbV ist mit einem vierköpfigen Menschenrechtsteam seit
der Nato-Intervention 1999 im Kosovo vertreten, dokumentiert und
beobachtet die Minderheitensituation seitdem akribisch.
Es sei eine Tragödie, dass mitten in Europa die
Angehörigen der zusammenschrumpfenden Minderheiten nur unter
Lebensgefahr ihre zu Ghettos gewordenen Restsiedlungen verlassen
können und die Eingeschlossenen gar nicht oder völlig
unzureichend von der UNMIK versorgt und von der KFOR nicht
geschützt werden, sagte Zülch. "Während
zehntausende zerstörte albanische Häuser
wiederaufgebaut wurden, liegen die rund 14 000 zerstörten
Häuser der Roma und Aschkali entweder noch in Trümmern
oder sie wurden unter den Augen der KFOR von Albanern
besetzt."
Seit den Pogromen eines aufgehetzten albanischen Mobs gegen die
Minderheiten Mitte März stünde bei den wenigen noch im
Lande verbliebenen Roma- und Aschkali-Familien das
Fluchtgepäck für eine hastige Ausreise bereit,
berichtet das GfbV-Team aus dem Kosovo. Panisch würden sie
die Hilfe von Schlepperbanden suchen, um das Land zu verlassen.
Denn seit den Übergriffen habe sich die Situation für
die Roma und Aschkali noch einmal dramatisch verschärft.
Schüler und Studenten trauten sich seitdem nicht mehr zum
Unterricht, Männer könnten nicht mehr außerhalb
ihrer Siedlungen arbeiten, Kranken machten sich nicht mehr auf
den Weg zum Arztbesuch. "Denn wo immer Roma und Aschkali sich
sehen lassen, werden sie von Albanern bedroht", sagt der Leiter
des GfbV-Teams, Paul Polansky, "`Tod den Zigeunern` rufen ihnen
regelmäßig selbst vorbeifahrende Autofahrer zu."
Lebten im Kosovo vor 1999 noch rund 150.000 Roma und Aschkali,
sind es heute nach Vertreibungen durch die albanische Mehrheit
nur noch höchstens 15.000.