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18 Monate nach Pogromen an Ureinwohnern in Indien

Morde radikaler Hindu an Christen bleiben ungesühnt - Adivasi-Ureinwohner fürchten neue Gewalt

Bozen, Göttingen, 5. März 2010

Adivasifamilie im Flüchtlingslager (Foto: Dr. James Albert, GfbV). Adivasifamilie im Flüchtlingslager (Foto: Dr. James Albert, GfbV).

Die meisten Morde an christlichen Adivasi-Ureinwohnern und Brandschatzungen von Kirchen durch radikale Hindu im indischen Bundesstaat Orissa bleiben ungesühnt. Darauf hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag hingewiesen. "Bis heute zögern überlebende Opfer der Pogrome im Herbst 2008 aus Angst vor neuen Übergriffen in ihre Heimatdörfer zurückzukehren", sagte Ulrich Delius, Asienreferent der in Göttingen ansässigen internationalen Menschenrechtsorganisation. "Denn 18 Monate nach Beginn der schweren Ausschreitungen werden Christen noch immer eingeschüchtert und bedroht, um eine wirksame Strafverfolgung der Täter zu verhindern." Mehr als 50.000 Christen mussten nach Beginn der Pogrome im Kandhamal-Bezirk am 23. August 2008 flüchten. 75 Menschen wurden von radikalen Hindu getötet, 5347 ihrer Häuser und 252 Kirchen wurden zerstört. Noch immer müssten rund 6.000 Flüchtlinge in Slums der Provinzhauptstadt Bhubaneshwar ein elendes Leben führen. Auch mehrere tausend christliche Adivasi, die in anderen Bundesstaaten Zuflucht gesucht hatten, wagen es nicht zurückzukehren.

Der GfbV-Indienexperte Dr. James Albert, der in Orissa zurzeit die Situation betroffener christlicher Adivasi-Ureinwohner recherchiert, berichtete telefonisch, dass in das Dorf Badimunda aus Angst vor neuen Übergriffen bisher nur ein Drittel der ursprünglich in dem Ort lebenden 1.200 Christen zurückgekehrt ist. "Mit Stöcken, Gewehren und Schwertern bewaffnete Hindu-Banden ziehen in Badimunda regelmäßig von Zelt zu Zelt der christlichen Rückkehrer und schüchtern die Menschen ein. Radikale Hindu drohen mit Prügel, Vergewaltigung und Brandschatzung und fordern die Adivasi auf, sich zum Hinduismus zu bekehren oder zu verschwinden. Immer wieder plündern sie ihre Zelte. Im Dorfladen weigert man sich, Christen Nahrungsmittel zu verkaufen." Auch Sammeltaxis dürfen die Angehörigen der Minderheit nicht mehr benutzen, beklagten sich Ureinwohner bei dem GfbV-Experten. Mit willkürlichen Anzeigen bei der Polizei werden Christen von radikalen Hindu kriminalisiert. So sollen Angehörige der religiösen Minderheit in Strafverfahren zum Schweigen gebracht werden. "Es ist unverantwortlich, dass die Behörden die Flüchtlinge trotz dieses Klimas der Gewalt zur Rückkehr in ihre Heimatdörfer drängen."

"Angst und Verzweiflung wird unter den Christen auch durch die nur schleppende Ahndung der von Hindu verübten Pogrome geschürt", kritisiert Delius. Obwohl Christen wegen der Gewalttaten trotz der Einschüchterungen 3.232 Anzeigen bei der Polizei erstatteten, wurden nur 832 Ermittlungsverfahren eingeleitet, bilanziert der katholische Erzbischof von Cuttack-Bhubaneshwar, Raphael Cheenath. Nur 89 Personen wurden zumeist zu geringen Strafen verurteilt, 303 Beschuldigte wurden freigesprochen. Zuletzt endeten die Verfahren für 52 radikale Hindu am 28. Februar 2010 mit einem Freispruch. In neun von zehn Mordfällen wurden die Täter wegen mangels an Beweisen nicht zur Rechenschaft gezogen.