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China: Uralter Lebensweise der Nomaden droht der Untergang

China will die letzten 1,2 Millionen Nomaden der Volksrepublik bis 2015 zwangsweise ansiedeln

Bozen, Göttingen, 5. Juni 2012

Landschaft in Xinjiang, Ostturkestan. Foto: GfbV-Archiv. Landschaft in Xinjiang, Ostturkestan. Foto: GfbV-Archiv.

Die Pläne der chinesischen Regierung, die letzten 1,2 Millionen Nomaden in der Volksrepublik bis 2015 anzusiedeln, sind bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen auf scharfe Kritik gestoßen. "Wenn die Nomaden gezwungen werden, sich in neu errichteten Dörfern niederzulassen, wird eine Jahrtausende alte Lebens- und Wirtschaftsform willkürlich zerstört", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Dienstag. Viele Nomaden werden zu Almosen-Empfängern gemacht, da die Behörden gezielt ihre wirtschaftliche Existenz vernichten, warnte die GfbV in einer am Montag beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf eingereichten Eingabe. Chinas Regierung hatte Ende Mai 2012 den "Zwölften Fünf-Jahresplan für die Ansiedlung der Nomaden" verabschiedet, demzufolge 246.000 Nomadenfamilien in Tibet, der Inneren Mongolei und Xinjiang bis zum Jahr 2015 fest angesiedelt werden sollen.

Die GfbV wies in ihrer Eingabe darauf hin, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Professor Olivier De Schutter, nach einem Besuch in China im Januar 2012 dazu aufgerufen hat, Nomaden nicht zwangsweise anzusiedeln. Denn so eine Zwangsmaßnahme verletze das Völkerrecht und internationale Konventionen wie die Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und die Biodiversitäts-Konvention, die auch von der Volksrepublik ratifiziert wurden. Außerdem werde so die Nahrungsmittelversorgung der Betroffenen gefährdet. "Die Nomaden können sich nicht mehr von ihren Tieren ernähren, in den neuen Dörfern gibt es weder ausreichend Infrastruktur noch Arbeitsplätze und auch in anderen Wirtschaftsbereichen finden die Angesiedelten kaum Anstellung", berichtete Delius. "So nimmt die Hoffnungslosigkeit unter Nomaden so sehr zu, dass sich einige von ihnen durch Selbstverbrennung das Leben genommen haben, zuletzt eine Mutter von drei Kindern am Mittwoch vergangener Woche.

Die chinesische Regierung begründet die geplante Ansiedlung mit ökologischen Bedenken, da die Herden der Nomaden angeblich die Versteppung fördern. Doch selbst chinesische Wissenschaftler räumen inzwischen ein, dass das Vordringen von Wüsten nur eingedämmt werden kann, wenn Weideland nur zeitweise von Viehherden genutzt wird. Wenn die chinesischen Behörden Nomaden sesshaft machen und ihnen dann für die jahrzehntelange Nutzung feste Flächen zuweisen, wird der Versteppung sogar noch Vorschub geleistet. Denn dann lassen die ehemaligen Nomaden ihre Tiere ständig auf den gleichen Flächen grasen, bis das kein Futter mehr da ist und selbst die Wurzeln der Pflanzen zerstört sind. So entstehen durch die Ansiedlung der Nomaden neue ökologische Probleme.