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Tibets Nomaden droht das Aus

Mehr als 300.000 tibetische Nomaden und Bauern wurden 2008 zwangsumgesiedelt

Bozen, Göttingen, 5. Januar 2009

Nomadenkind in Tibet. Nomadenkind in Tibet.

Der Jahrtausende alten Nomaden-Kultur in Tibet droht der Untergang. Dies berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag in Göttingen, nachdem bekannt geworden war, dass 312.000 tibetische Nomaden und Kleinbauern im Jahr 2008 von den chinesischen Behörden zwangsweise in neue "sozialistische Dörfer" umgesiedelt worden sind. Viele Nomaden seien dazu gezwungen worden, ihre Yak-, Ziegen- und Schafherden aufzugeben. "Wer Tibets Nomaden gezielt ihre traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise nimmt, will ihre Kultur und Identität zerstören", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Die Menschenrechtsorganisation warf den chinesischen Behörden vor, an Tibets Nomaden Ethnozid zu begehen.

Zuvor hatte die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, dass 57.800 Nomaden- und Bauernfamilien im Jahr 2008 im Rahmen des Programms "Komfortables Wohnen" in Tibet in neuen Häusern angesiedelt worden seien. Das Programm war im Jahr 2006 gestartet worden und sieht vor, dass 220.000 Familien bis zum Jahr 2010 in neuen sozialistischen Dörfern sesshaft gemacht werden sollen. So sollen 80 Prozent der in der Autonomen Region Tibet lebenden Nomaden, Halbnomaden und Bauern in den neuen Siedlungen zusammengefasst werden. Insgesamt leben jetzt bereits 170.000 Familien mit rund 860.000 Angehörigen in diesen Dörfern.

Während die chinesischen Behörden von einer Verbesserung des Lebensstandards der Bewohner der neuen Siedlungen sprechen, regt sich unter den Betroffenen viel Widerspruch. Viele Nomaden und Bauern kritisieren, dass ihnen nicht gestattet wurde, die Umsiedlung abzulehnen und sie ihre alten, oft isoliert liegenden Häuser aufgeben mussten. In den neuen Siedlungen könnten sie ihre Viehherden nicht länger aufrechterhalten. Außerdem seien die Häuser oft mangelhaft gebaut, und Arbeit gebe es auch nicht ausreichend. Viele Tibeterinnen und Tibeter kritisieren, sie hätten durch die Zwangsumsiedlung ihre Unabhängigkeit verloren und seien zu Lohnarbeitern oder Almosen-Empfängern gemacht worden.

Chinas Behörden bemühen sich bereits seit dem Jahr 2000 gezielt um die Ansiedlung der tibetischen Nomaden in neuen staatlich besser zu kontrollierenden Dörfern im Rahmen verschiedener Programme. So soll nicht nur die traditionelle tibetische Gesellschaft zerstört werden, sondern auch neuer Raum für Industrie-, Bergbau-, Landwirtschafts- und Infrastrukturprojekte gewonnen werden. Als Vorwand für die Ansiedlung der Nomaden wird auf die fortschreitende Umweltzerstörung verwiesen, für die die Hirten angeblich verantwortlich sein sollen. Dass die Ursachen für die Umweltprobleme tatsächlich sehr viel komplexer sind, wird von den Behörden ignoriert.