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Max Schmidt
Göttingen, Bozen, 16. Juni 2009
"Man sagt zu mir, ich sei Diyarbakirerin, ich bin keine Diyarbakirerin, ich bin Kurdistanerin. Man sagt, hier sei der Osten, der Südosten, hier ist nicht der Osten, der Südosten hier ist Kurdistan. Uns nennt man Separatisten. Aber eigentlich gehört dieses Land auch uns."
Die inzwischen 48-jährige türkische Politikerin und Menschenrechtlerin kurdischer Herkunft, Leyla Zana, kommt nicht zur Ruhe. Wieder einmal laufen zahlreiche Verfahren in der Türkei gegen sie - erneute langjährige Haftstrafen drohen ihr. Doch selbst verteidigen will sie sich nach all den Jahren nicht mehr.
Leyla Zana.
14jährig wurde sie mit dem 20 Jahre älteren Mehdi
Zana, dem Bürgermeister der kurdischen Stadt Diyarbakir,
verheiratet. Nach fünf Jahren Ehe wurde er festgenommen,
weil er sich für die Rechte der Kurden einsetzte. Daraufhin
begann Leyla Zanas politisch aktive Karriere: Sie gründete
eine Selbsthilfegruppe für Frauen inhaftierter Männer
und wurde Journalistin. 1991 wurde sie mit der SHP
(Sozialdemokratische Populistische Partei) ins türkische
Parlament gewählt.
Beim Ablegen ihres Amtseides trug sie ein Kopfband mit den
traditionellen kurdischen Farben gelb, grün, rot. Bereits
mit ihrem Loyalitätseid sorgte sie für Aufruhr. Zwar
legte sie diesen wie gesetzlich erfordert auf Türkisch ab,
fügte jedoch auf Kurdisch hinzu: "Ich werde mich dafür
einsetzen, dass das kurdische und das türkische Volk
zusammen in einem demokratischen Rahmen leben können." Keine
fünf Monate später war ihre Partei verboten. Ihre
parlamentarische Immunität wurde aufgehoben - ein Beschluss,
den das türkische Parlament mit tosendem Applaus
begrüßte.
Wegen ihres Verhaltens bei der Vereidigung sowie späterer
Redebeiträge und Schriften von Zana, beantragte die
Staatsanwaltschaf die Todesstrafe für sie. 1994 wurde die
Mutter zweier Kinder wegen "Landesverrats" schließlich zu
15 Jahren Haft verurteilt. 1998 erhöhte man die Strafe sogar
noch um weitere zwei Jahre. 2004 wurde sie auf Grund großer
Proteste insbesondere aus EU-Kreisen vorzeitig aus der Haft
entlassen. Eine große Menschenmenge feierte Zana bei ihrer
Freilassung wie eine Volksheldin.
Wiederum bemühte sich Zana um die Gründung einer
Partei, diesmal die DTP (Partei der Demokratischen Gesellschaft),
die 2005 gegründet wurde. Im April 2008 wurde sie erneut zu
zwei Jahren Haft verurteilt, diesmal wegen "Propaganda für
eine verbotene Partei". Angeblich soll sie den PKK-Führer
Abdullah Öcalan als einen Führer der Kurden bezeichnet
und abgestritten haben, dass er ein Terroristenführer sei.
Im Dezember 2008 wurde sie außerdem wegen "Mitgliedschaf in
einer terroristischen Vereinigung" zu weiteren zehn Jahren im
Gefängnis verurteilt. Ende März 2009 wurde Zana in
einem der vielen laufenden Prozesse gegen sie zur Last gelegt, in
einem vorigen Verfahren in ihrer Verteidigung "eine Straftat oder
einen Straftäter gepriesen" zu haben. Sie hatte Öcalan
als einen "Führer des kurdischen Volkes" bezeichnet, den der
türkische Staat nicht einfach übergehen
könne.
In ihrer Verteidigung im März 2009 führte Zana nun
überraschend aus, sich in keinem weiteren Prozess mehr
verteidigen zu wollen. "Von dem Tag an, an dem mein Kampf
begonnen hat, habe ich zu jeder Zeit und an jedem Ort, auf den
Straßen und in Gerichtssälen, das zum Ausdruck
gebracht, was ich für richtig halte. Solange sich die
Bedingungen nicht ändern, werde ich nicht weiter meine
Gedanken äußern. Man muss meiner Meinung nicht
zustimmen, aber ich bin nunmehr davon überzeugt, dass es
keinen Sinn mehr macht, sich ständig zu wiederholen. Ich
wünsche mir ein Land, in dem die gedankliche Evolution so
weit vorangeschritten ist, dass Menschen aufgrund ihrer Meinung
nicht mehr verdächtigt, angeklagt und verurteilt werden." An
der Hauptverhandlung nahmen neben Zanas Anwälten auch
europäische Beobachter teil. Die Verhandlung wurde
vertagt.
Aus pogrom-bedrohte Völker 253 (2/2009)
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2009/090403de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2009/090325de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2009/090320ade.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2009/090220de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2008/081017de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2008/081007de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2008/080728de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2008/080212de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/071129de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/071025de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/071018de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070720de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070419de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070320de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070119de.html
| www.gfbv.it/3dossier/war/gutman-rieff.html#r3
| www.gfbv.it/3dossier/armeni/010720armeni.html
| www.gfbv.it/3dossier/war/gutman-rieff.html#r3
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/kurzuelch-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/kurtur-de.html
in www: www.kurdistan.de | www.komkar.org | www.ihd.org.tr/eindex.html
| http://de.wikipedia.org/wiki/Kurdistan
| www.azadiyawelat.com