Bozen, Göttingen, 6. Oktober 2005
Nachdem der türkische Außenminister Abdullah
Gül am Mittwoch in Luxemburg vollmundig angekündigt
hat, dass Türkisch "demnächst eine europäische
Amtssprache"* sein wird, hat der Präsident der Gesellschaft
für bedrohte Völker International (GfbV), Tilman
Zülch, von der türkischen Regierung gefordert, zuvor
das Kurdische zur Amtssprache im eigenen Land zu erheben:
"Kurdisch, gesprochen von 15 Millionen Menschen, von 80 Prozent
der Bevölkerung in einem Viertel des türkischen
Territoriums ist bis heute keine Amtssprache in der Türkei.
Kurdisch genießt keinerlei offiziellen Status weder bei den
Behörden noch im Schulsystem noch in den großen
Zeitungen der kurdischen Region im Südosten des Landes. Die
Türkei macht kaum Anstalten, die bis zu zwei Millionen aus
3.428 Dörfern vertriebenen Kurden zurückzusiedeln.
Ankara müsste der europäischen Öffentlichkeit
Auskunft darüber geben, wie viele Kurden noch aus
politischen Gründen gefangen gehalten werden. Verschiedene
Institutionen sprachen noch vor einem Jahr von bis zu 3000
kurdischen politischen Gefangenen, die wegen angeblichen
Terrorismus, in der Realität jedoch wegen des Verteilens von
Flugblättern, wegen ihrer Teilnahme an Demonstrationen oder
anderen friedlichen Aktionen zur Verteidigung ihrer Rechte zu
langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.
Das Kurdische im überwiegend kurdisch besiedelten Gebiet der
Türkei muss zur offiziellen Amtssprache erhoben werden, und
die Politik Ankaras gegenüber den Kurden muss endlich
demokratischen Prinzipien folgen. Erst dann können solch
enthusiastische Erwartungen an das demokratische Gremium der
EU-Staaten formuliert werden."
* Die tageszeitung (taz) zitiert Abdullah Gül in ihrer Ausgabe vom 05. Oktober 2005: "Sie werden Ihre Kopfhörer benötigen", sagte er zu Beginn seiner Erklärung. "Türkisch wird demnächst eine europäische Amtssprache sein."