Bozen, Göttingen, Dresden, 10. Oktober 2006
Wenige Minuten bevor der russische Präsident Wladimir Putin
an der Protestaktion der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) in Dresden vorbeikommen sollte, wollte die
Polizei das drei mal vier Meter große Transparent der
Menschenrechtsorganisation aus dem Verkehr ziehen. Als die
Teilnehmer sich weigerten und erklärten, dann müsse die
Polizei es mit Gewalt an sich nehmen, zog der
Polizeieinsatzleiter Herr Stein die GfbV- Versammlungsleiterin
Sandra Bremer unsanft beiseite und ließ sie erst nach
mehreren Metern los. Da die Bundesregierung jedoch keine Anzeige
wegen Beleidigung des russischen Präsidenten erstattet
hatte, durfte das Transparent schließlich stehen
bleiben.
Die friedliche Mahnwache der GfbV war ordnungsgemäß
angemeldet, genehmigt und fast zwei Stunden lang ohne
Beanstandungen unter den Augen der Polizei aufrecht erhalten
worden. Auf dem Transparent der GfbV war ein Porträt Putins
zu sehen, hinter dessen harmlos lächelndem Gesicht die
böse Fratze von Terror und Gewalt hervorlugt. Neben der
Zeichnung stand in Riesenlettern der Vorwurf: "Herr
Präsident, Sie bringen den Tod nach Tschetschenien!"
"Während der ehemalige Dresdner KGB-Offizier Putin an
seiner früheren Wirkungsstätte als smarter Vertreter
der russischen Wirtschaft auftritt, werden in Tschetschenien
täglich Menschen entführt, gefoltert und ermordet",
hieß es in einer begleitenden Pressemitteilung der GfbV,
die mit der Aktion an das fortgesetzte Leid der tschetschenischen
Zivilbevölkerung erinnern wollte. Putin könnte diesen
Völkermord, den sein Vorgänger Jelzin begann und dem
bis heute 160 000 Menschen zum Opfer fielen, beenden. Doch er
protegiere den derzeitigen tschetschenischen Premierminister
Ramzan Kadyrow, dessen Milizen für rund 75% der schweren
Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien verantwortlich seien
und nicht zur Rechenschaft gezogen würden.
Außerdem unterstrich die GfbV in ihrer Erklärung die
Forderung nach rückhaltloser Aufklärung des Mordes an
der russischen Journalistin Anna Politkowskaja am vergangenen
Samstag in Moskau. Putin solle den Verdacht aus dem Weg
räumen, dass russische Geheimdienste dabei ihre Hände
im Spiel hatten, um diese schärfste Regimekritikerin aus dem
Weg zu räumen." Obwohl Politkowskaja seit Jahren bedroht
wurde, hat sie in der "Nowaja Gazeta" immer wieder unerschrocken
über schwerste Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien
berichtet. Dort sollte am gestrigen Montag auch ein Bericht
über Folter in der kleinen Kaukasusrepublik erscheinen.