Bozen, Göttingen, 21. Februar 2006
Am 23. Februar fällt
der 62. Jahrestag (23.02.1944) der von Stalin verordneten
Deportation nach Zentralasien des tschetschenischen und der
kaukasischen Völker. Beinahe eine Million Menschen wurden
zwangsumsiedelt, viele starben bei den Durchsuchungen oder wegen
Hunger, Kälte und unmenschlicher Bedingungen beim Transport
oder im Exil. In wenigen Tagen wurden ganze Landteile von ihren
Bewohnern geleert: 48 verschiedene religiöse und ethnische
Gemeinschaften wurden deportiert, unter ihnen ungefähr
400.000 Tschetschenen, aber auch Inguschen, Karatschaier,
Balkaren, Krimtataren, Meschketen, Kalmücken,
Sowjetgriechen, Fernostkoreaner und die Russland-Deutsche.
Erst nach über zehn Jahren im zentralasiatischen Exil
durften die überlebenden Tschetschenen zurückkehren.
Doch unter der Herrschaft des russischen Präsident Boris
Jelzin wurde die Genozidpolitik gegenüber den Tschetschenen
wieder aufgenommen. Von 1994 bis 1996 kamen dabei 80.000 Menschen
ums Leben. Seit 1999, unter der Regierung von Wladimir Putin,
sind nochmals bis zu 80.000 Tschetschenen umgekommen. Insgesamt
sind dies knapp 20% dieses kleinen Volkes. Im Jahr 2004 hat das
Europäische Parlament endlich die Tragödie von 1944 als
Völkermord anerkannt, dem nun am 23. Februar weltweit
gedacht wird. Die Internationale Kampagne World Chechnya Day soll
an die von der Geschichte vergessenen Tragödie erinnern,
aber auch an an die Opfer des noch immer andauernden
Völkermords.
Die abgetretene Rot-Grüne Bundesregierung wurde durch
zahlreiche Militärabkommen mit der russischen Armee, die
Entsendung einer Delegation des BND ins niedergebombte Grosny und
die politische Unterstützung Putins mitschuldig an den
Genozidverbrechen. Heute wendet sich die
Menschenrechtsorganisation gegen Deutschlands inhumansten
Innenminister, der Genozidflüchtlinge aus Tschetschenien in
das Kriegsgebiet oder nach Russland deportierten lässt oder
tschetschenische Kinder, Frauen und Männer mit der
Abschiebung bedroht. Auch in Russland werden die Flüchtlinge
verfolgt und gezwungen, ins tschetschenische Kriegsgebiet
zurückzukehren. Die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) hat vor einigen Monaten einen detaillierten
Bericht über die Genozidverbrechen und die andauernden
Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien vorgelegt. Es ist
wichtig, heute der Deportation von 1944 zu gedenken, um zu
erkennen, dass sich vielleicht die Art und Weise geändert
haben mag, aber dass im Grunde der vergessene Genozid auch heute
noch in der allgemeinen Gleichgültigkeit weitergeführt
wird.