Bozen, Göttingen, 18. Dezember 2006
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der
Europäischen Union (EU) und der deutschen Bundesregierung
vorgeworfen, nicht genug zu tun, um einen drohenden Krieg in
Somalia zu verhindern. Als wichtigste Handelspartner und
Geberländer Äthiopiens können die Europäer
mehr Druck auf die Regierung in Addis Abeba ausüben, um die
Spannungen zwischen den Nachbarländern abzubauen.
Insbesondere müsse Äthiopien sofort seine in Somalia
stationierten Truppen abziehen, da diese nicht Sicherheit
schafften, sondern die Spannungen zwischen Äthiopien und
Somalia schürten. Ein neuer Krieg Äthiopiens wäre
auch ein Schlag ins Gesicht für Deutschland, das
Äthiopien im Jahr 2004 großzügig Schulden
erließ, um die Armut zu bekämpfen. Dieser Krieg wird
nicht nur Millionen Menschen weiter verarmen lassen, sondern eine
humanitäre Katastrophe gigantischen Ausmaßes
auslösen.
Internationale Konfliktprävention sei wieder einmal
kläglich gescheitert, und auch Europas Krisenmanagement sei
hilf- und ideenlos. Wie im Falle Darfurs belasse es die EU bei
"Betroffenheitsadressen", die keine der Konfliktparteien
beeindruckten. Es sei unverständlich, warum weder ein
Außenminister aus einem EU-Staat noch der EU-Beauftragte
für Außen- und Sicherheitsfragen, Xavier Solana, noch
die EU-Kommissarin für Auswärtige Angelegenheiten,
Benita Ferrero-Waldner, nach Addis Abeba reisten, um sich
persönlich um eine Deeskalation zu bemühen. Noch
deutlicher könne man Afrika seine Missachtung kaum zeigen,
kritisierte die GfbV. Zwar sprach sich der Weltsicherheitsrat am
6.Dezember für die Entsendung von UN-Friedenstruppen nach
Somalia aus. Doch dieser Beschluss sei wertlos, da er aufgrund
mangelnder Finanzen und fehlender Soldaten nicht zügig
umgesetzt werde.
Schon einmal hätten Äthiopiens Machthaber in einem
absurden Stellungskrieg mit Eritrea von 1997 bis 2000
hunderttausend Menschenleben geopfert. Nun drohe in Somalia
erneut ein Stellvertreterkrieg Äthiopiens mit Eritrea, in
den allerdings bis zu 17 Staaten verwickelt werden könnten.
Schon heute könnten Notleidende in weiten Gebieten Somalias
und der angrenzenden Region Ogaden in Äthiopien nicht mehr
von humanitären Helfern erreicht werden. Das Ausmaß
der Hungerkatastrophe sei nicht auszudenken, wenn die
sporadischen Kämpfe auch noch zu einem offenen Krieg
eskalierten.
Somalias radikale Muslime hatten Äthiopien vergangene Woche
mit Krieg gedroht, sollte das Nachbarland seine Truppen nicht bis
zum 19. Dezember 2006 aus Somalia abziehen. Äthiopien hatte
im August 2006 Soldaten nach Somalia entsandt, um muslimische
Bewegungen zu bekämpfen, die vom verfeindeten Nachbarland
Eritrea unterstützt werden. Deutschland hatte Äthiopien
im Dezember 2004 Schulden in Höhe von 67 Millionen Euro
erlassen. Insgesamt erließen die G 8-Staaten in den letzten
drei Jahren Äthiopien Verbindlichkeiten in Höhe von 3,3
Milliarden Euro.