Bozen, Göttingen, 18. März 2008
Die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) hat Chinas Regierung am Dienstag vorgeworfen,
die Nationalitätenfrage gewaltsam lösen zu wollen. "Wer
nach den Ausschreitungen in Tibet vom Wochenende den Dialog mit
dem moderaten Dalai Lama ablehnt und ihn als Unruhestifter
kriminalisiert, setzt bewusst auf eine Eskalation der Gewalt",
kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius und warnte: "In
Zukunft werden Demonstrationsteilnehmer in Tibet viel
gewaltbereiter und weniger nachgiebig sein." Diese Strategie
missachte nicht nur grundlegende Menschenrechte, sondern
gefährde auch die Stabilität der Volksrepublik.
Premierminister Wen Jiabao hatte am Dienstagmorgen jeden Dialog
mit dem Dalai Lama abgelehnt. Um eine Ausweitung der
Nationalitäten-Proteste zu verhindern, haben die
chinesischen Behörden bereits am Montag in zwei Städten
der benachbarten Region Xinjiang, in der vor allem muslimische
Uiguren leben, nächtliche Ausgangssperren verhängt.
Auch in tibetischen Distrikten der überwiegend chinesischen
Provinzen Gansu, Qinghai und Sichuan war es am Wochenende zu
Protesten von Tibetern gekommen. "Doch Peking wird es nicht
gelingen, die Tibeter und Uiguren dauerhaft mit Waffengewalt
niederzuhalten", erklärte Delius. Es gebe keine Alternative
zu einem Dialog mit dem Dalai Lama und allseits anerkannten
Vertretern der Uiguren.
Seit Jahren fordert die GfbV die Aufnahme eines
glaubwürdigen Dialoges zwischen Chinas Führung und dem
Dalai Lama. Regelmäßig hat die
Menschenrechtsorganisation in den vergangenen zehn Jahren davor
gewarnt, dass der Tibet-Konflikt nach dem Tod des heute
amtierenden Dalai Lama eskalieren werde, weil jüngere
Tibeter weniger zu Kompromissen gegenüber Chinas Regierung
bereit seien: "Wie angespannt die Lage in Chinas
Nationalitätengebieten ist, wurde spätestens am
vergangenen Wochenende deutlich, als Tibeter nach tagelangen
friedlichen Protesten Steine warfen und sich mit Metallstangen
bewaffneten."