Bozen, Göttingen, 20. März 2008
Das Gesprächsangebot des
chinesischen Premierministers Wen Jiabao an den Dalai Lama ist
nach Ansicht der Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) eine "Farce". "Wen Jiabao schützt
Gesprächsbereitschaft nur vor, um den wachsenden Druck der
internationalen Staatengemeinschaft zu verringern", erklärte
der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Donnerstag in
Göttingen. Tatsächlich sei das Angebot zum Dialog nicht
aufrichtig. Denn die Vorbedingungen, die Peking auch dieses Mal
wieder an den Dalai Lama stelle, seien nicht nur seit 20 Jahren
identisch. Sie seien auch seit zwei Jahrzehnten erfüllt. In
seinem Straßburger Appell 1988 habe der Dalai Lama seine
Forderung nach der Unabhängigkeit Tibets aufgegeben und
Gewaltverzicht erklärt. Dies seien bis heute seine
erklärten Ziele. Doch Chinas Führung weigere sich
beharrlich, dies anzuerkennen.
Der britische Premierminister Gordon Brown hatte gestern
Nachmittag erklärt, Wen Jiabao habe in einem
Telefongespräch seine Gesprächsbereitschaft mit dem
Dalai Lama betont. In der Medienberichterstattung ging jedoch
weitestgehend unter, dass Wen Jiabao wieder gefordert habe, zuvor
müsse der Dalai Lama jede Forderung nach staatlicher
Unabhängigkeit Tibets aufgeben und den Gewaltverzicht
erklären. "Hinzu kommt, dass Chinas Führung ihren
Gesprächspartner im zweiten Atemzug als `Wolf in
Mönchskutte´ verteufelt hat. Das zeigt deutlich, dass
es kein ernsthaftes Interesse an einem Dialog mit den Tibetern
gibt", sagte Delius.
Dem Organisationskomitee der Olympischen Spiele in Peking warf
die GfbV vor, mit ihrem geplanten Olympischen Fackellauf durch
Tibet weitere Unruhen zu provozieren. "Wer nach der blutigen
Niederschlagung der Proteste der letzten Tage die Olympische
Flamme demonstrativ durch Tibet trägt, beschädigt nicht
nur weiter das Image der Spiele, sondern schürt auch bewusst
den Zorn der Tibeter", kritisierte Delius. Die Entscheidung lasse
jedes Fingerspitzengefühl vermissen und widerspreche dem
Geist der Olympischen Bewegung. "Pekings Olympia-Macher
instrumentalisieren damit erneut die Olympische Bewegung, um den
absoluten Machtanspruch der chinesischen Führung in Tibet zu
unterstreichen." Das Olympische Organisationskomitee hatte
gestern nochmals bekräftigt, dass das am Ostermontag im
griechischen Olympia zu entzündende Feuer im Mai auf den
Mount Everest und im Juli 2008 durch Tibet getragen wird.