In: Home > News > Der chilenischen Regierung setzt auf Gewalt anstatt auf Dialog mit den Mapuche
Bozen, 23. Oktober 2009
Gewalt der Polizei in Temucuicui gegen Mapuche.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist in
grosser Sorge über die Verschärfung des Konflikts
zwischen Mapuche-Gemeinden und chilenischem Staat. Beinahe jeden
Tag erreichen uns neue Informationen über Gewalt, Folter und
illegalen Festnahmen und indigene Medien berichten mit
besorgniserregender Regelmäßigkeit über neue
Auseinandersetzungen mit der Polizei, von Verletzten und leider
auch Toten. Besondere Sorge macht der Anstieg der Polizeigewalt
gegen Kinder und Jugendliche, wie auch von der chilenische
Menschenrechtsorganisation
Observatorio Ciudadano (Bürgerliche Beobachtungsstelle)
berichtet wird. Das Observatorio Ciudadano hat am Mittwoch der
chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet einen Brief
übergeben, in dem mehrere Fälle von Polizeigewalt gegen
Minderjährige dokumentiert werden, darunter auch der Fall
eines 14-jährigen Mapuche-Jungen, der zuerst von der Polizei
angeschossen wurde, dann auf einen Polizeihubschrauber geladen
wurde und, als der Hubschrauber in der Luft war, bedroht wurde,
hinunter geworfen zu werden sollte er nicht die Namen derer
nennen, die zu diesem Zeitpunkt an einer Protestaktion im Fundo
Santa Lucía beteiligt waren.
Die Verantwortung der chilenischen Institutionen bei der
Verschärfung des Konflikts wird auch von einer im
September geleiteten Untersuchung des Menschenrechtsrats der
Vereinten Nationen festgehalten. Dabei stellt der
Menschenrechtsrat fest, dass die Anzahl der politischen
Gefangenen in Chile seit Anfang der Transition von der Diktatur
zur Demokratie noch nie so hoch war. Ungefähr 100 Mapuche
wurden seither aus politischen Gründen vor Gericht gestellt,
meist berufen sich chilenische Gerichte dabei auf das
Anti-Terror-Gesetz (Gesetz Nr. 18.314) aus der Zeit der Diktatur
unter General Augusto Pinochet. Das Anti-Terror-Gesetz, dessen
Gebrauch von den Vereinten Nationen scharf kritisiert wurde, ist
ein absichtlich vage und verworren formuliertes Gesetz, das es
den Gerichten so ermöglicht, mit vollkommener Willkür
zu entscheiden.
Laut Alejandro Herrera, Dozent der Universidad de la Frontera in
Temuco und Mitglied des Instituts für Indigene Studien, hat
die chilenische Regierung kein ernstes Interesse an einem fairen
Dialog mit den Mapuche. Die Regierung, so Herrera, begnügt
sich damit, in den Gemeinden vor allem mit Polizeigewalt
einzuschreiten und versäumt es dabei, ein Problem anzugehen,
das in Wirklichkeit viel tiefgreifender ist. Die Mapuche selbst
hätten kein Interesse andauernd in den Medien als
terrorverbreitende Gruppen zu erscheinen, sondern fordern, dass
die geschichtliche Schuld des Staates gegenüber der
indigenen Bevölkerung Chiles endlich eingestanden und soweit
wie möglich behoben wird, wie dies bereits auch in andere
Staaten geschieht.
Der Brief des Observatorio Ciudadano an Präsidentin Bachelet
erinnert daran, dass die Polizeigewalt gegen die Mapuche eine
schwere Menschrechtsverletzung ist, die sowohl nationale Gesetze
und die chilenische Verfassung als auch internationale Abkommen
verletzt, die vom chilenischen Staat unterschrieben und
ratifiziert wurden, wie z.B. das Internationale
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Rassendiskriminierung, das Abkommen zur Abschaffung von Folter
und das Abkommen ILO 169. In diesem Sinn, liest man im
Brief, fallen die Menschenrechtsverletzungen "unter die
Verantwortung der Regierung, die Sie führen." Der Brief des
Observatorio Ciudadano appelliert sich an die chilenische
Regierung, alle Verantwortlichen der Gewalt gegen Mapuche zur
Verantwortung zu ziehen, ohne dabei die Hierarchie der
Polizeiinstitutionen ausser Acht zu lassen und auch die
Hierarchiehöchsten zu verfolgen, die diese Gewalt erlaubt
oder vertuscht haben.
Die GfbV unterstützt die Forderungen des Observatorio
Ciudadano und appelliert noch einmal an die chilenische
Regierung, endlich das schändliche Anti-Terror-Gesetz
abzuschaffen, die geschichtliche Schuld gegenüber der
indigenen Bevölkerung Chiles einzugestehen und einen fairen
Dialog mit den nativen Völkern des Landes anzufangen.
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2008/080901de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2008/080118de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/071026de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070524de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070221de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2006/061012de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060529de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060516de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060509de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060116de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/mapuche07-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/mapu-mergen.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/mapuche-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/lota2003.html
in www: www.observatorio.cl | www.mapuche.nl | www.mapuche-nation.org |
www.mapuche.info | www.mapuexpress.net | www.azkintuwe.org | www.hrw.org/node/11921 |
www.hrw.org/spanish/informes/2004/chile1004/
| www.koyaktumapuche.net