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"Die Ehre der Wissenschaft in der Türkei" soll wieder ins Gefängnis

Prozess soll Kurden-Experten Ismail Besikci zum Schweigen bringen

Bozen, Göttingen, 27. Juli 2010

Ismail Besikci bekommt Osman-Sabri-Preis für seinen Einsatz für die Kurden (Foto: GfbV Archiv). Ismail Besikci bekommt Osman-Sabri-Preis für seinen Einsatz für die Kurden (Foto: GfbV Archiv).

Als "skandalösen Versuch, eine kritische Stimme für die Kurden zum Schweigen zu bringen", hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) den geplanten Prozess gegen den international renommierten türkischen Soziologen und Buchautoren Ismail Besikci bezeichnet. Er soll sich von Mittwoch an in Istanbul vor der 11. Strafkammer für besonders schwere Verbrechen verantworten. Dem bekannten Kurden-Experten wird vorgeworfen, für die verbotene kurdische Arbeiterpartei (PKK) Propaganda betrieben zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von insgesamt achteinhalb Jahren. "Doch Besikci beschäftigt sich rein wissenschaftlich mit der Lage der 15 Millionen Kurden in der Türkei. Ihn dafür zu bestrafen, ist reine Willkürjustiz", sagte GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido. Besikci hatte im Rahmen seiner Forschungen in der türkischsprachigen Zeitschrift "Unser Zeitalter" den wissenschaftlichen Beitrag "Nationale Selbstbestimmung und die Kurden" veröffentlicht. Dem Herausgeber der Zeitschrift, Zeycan Balci, drohen ebenfalls achteinhalb Jahre Haft.

Wegen seiner kritischen Veröffentlichungen über die Verfolgung und Diskriminierung der Kurden wurde Besikci in den vergangenen vier Jahrzehnten zu insgesamt 100 Jahren Haft und einer Geldstrafe von zehn Milliarden Lira (rund 5,1 Milliarden Euro) verurteilt. Acht Mal hat er eine Strafe tatsächlich antreten und deshalb insgesamt 17 Jahre in türkischen Gefängnissen verbringen müssen. Ihm war u.a. die "Gründung einer geheimen Ein-Mann- Organisation" vorgeworfen worden. 32 seiner 36 Bücher, die sich nicht nur der kurdischen Frage, sondern auch der Verfolgung der religiösen Minderheiten der Aleviten, Yeziden oder der armenischen syrisch- und griechisch-orthodoxen Christen widmen, waren oder sind in der Türkei verboten.

Türkische, kurdische und andere Intellektuelle haben weltweit eine Kampagne zur Unterstützung von Ismail Besikci unter dem Motto "Bilimin Namusa yalniz basina degildir!" (Die Ehre der Wissenschaft wird nicht allein gelassen!) gestartet. Die GfbV unterstützt diese internationale Aktion. Die in Göttingen ansässige internationale Menschenrechtsorganisation wird sich in den nächsten Tagen an deutsche Politiker und Parteien wenden mit der Forderung, Druck auf die Regierung in Ankara auszuüben, das Verfahren gegen den Soziologen einzustellen. Die GfbV hat in den vergangenen vier Jahrzehnten immer wieder auf die Parteilichkeit der türkischen Justiz aufmerksam gemacht.