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Türkei: "Entlarvender Chauvinismus"

Türkei verweigert verstorbenem armenischen Künstler Aram Tigran letzte Ruhestätte

Bozen, Göttingen, 18. August 2009

Aram Tigran. Aram Tigran.

Die Weigerung der Türkei, den armenischen Sänger Aram Tigran in der kurdischen Metropole Diyarbakir bestatten zu lassen, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) als "entlarvenden Chauvinismus" bezeichnet. "Wir empfehlen deutschen Politikern aller Richtungen, sich über die Political Correctness hinwegzusetzen und sich von einem derartigen türkischen Nationalismus klar und deutlich zu distanzieren, ob er nun in Ankara oder in der türkischstämmigen Gemeinschaft Deutschlands zu Tage tritt", erklärte der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch am Dienstag in Göttingen.

Aram Tigran, der am 8. August im Alter von 75 Jahren in Athen verstarb, wurde am Montag in Brüssel zu Grabe getragen. Der kurdische Oberbürgermeister von Diyarbakir, Osman Baydemir, ließ symbolisch Erde aus seiner Stadt nach Belgien transportieren, um den letzten Wunsch des Künstlers zu erfüllen. Kurden hatten seinem Vater während des Völkermordes an den Armeniern in der Türkei 1915 das Leben gerettet. Er floh mit ihnen nach Syrien und ließ sich in der überwiegend von Kurden bewohnten Stadt Qamischli nieder. Dort wurde 1934 sein Sohn AramTigran geboren.

Aram Tigran war ein herausragender Interpret der zeitgenössischen kurdischen Musik und sang überwiegend in Kurmanci-Kurdisch, jedoch auch in Armenisch, Aramäisch, Griechisch und Arabisch. Der Musiker emigrierte in den 60-er Jahren in die damalige Sowjetrepublik Armenien und lebte seit Anfang der 90-er Jahre überwiegend in Griechenland und Belgien. Erst kurz vor seinem Tod durfte er die alte Heimat seiner Vorfahren, die Provinz Diyarbakir, zum ersten Mal besuchen.

"Auch in Deutschland möchte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, offenbar dafür sorgen, dass die junge deutsche Generationen nicht mitbekommt, was 1915 in Ostanatolien geschah", kritisierte Zülch. Denn Kolat habe kürzlich erklärt, dass die Lehrhandreichung in brandenburgischen Schulen eine psychologische Belastung für türkische Schüler sei und so den inneren Frieden gefährde. In der Lehrhandreichung wird der Genozid im Osmanischen Reich 1915/16 thematisiert, dem rund 1,5 Millionen Armenier und etwa 500.000 christliche Assyrer/Aramäer zum Opfer fielen, thematisiert. An dem Verbrechen beteiligten sich viele kurdische Agas, die in den paramilitärischen so genannten Hamidiye-Milizen (heute Dorfschützer) organisiert waren.

Unter der anschließenden Herrschaft von Kemal Atatürk wurden mindestens 200.000 Christen in der Region um die Hafenstadt Smyrna, dem heutigen Izmir, und in Ostthrazien im europäischen Teil der Türkei ermordet. Anderen Schätzungen zufolge könnten bis zu 350.000 Christen getötet worden sein. Mindestens zwei Millionen griechisch-orthodoxe, aber auch armenische und assyrisch-aramäische Christen aus dem Pontos, Kappadokien und Ionien sowie arabische Christen aus der Region um Alexandrette, dem heutigen Iskenderun, wurden damals vertrieben. Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung innerhalb der Grenzen der heutigen Türkei fiel so innerhalb von 50 Jahren von 20 Prozent auf etwa 0,1 Prozent.