Bozen, Göttingen, 16. Dezember 2003
Die internationale Staatengemeinschaft
hat ihre Versprechungen, Frauen in Afghanistan Freiheit und
Gleichheit zu bringen, bisher nicht erfüllt. Diesen Vorwurf
hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am
Dienstag erhoben. "Der Protest von Frauen gegen ihre
Diskriminierung bei der großen Ratsversammlung Loya Jirga
in Kabul zeigt, wie wenig sich die Lage der Frauen in Afghanistan
nach dem Sturz der Taliban gebessert hat", sagte der
GfbV-Asienreferent Ulrich Delius in Göttingen. "Die auch von
der Bundesregierung geförderte Ausarbeitung einer neuen
Verfassung hat leider nicht dazu beigetragen, dass grundlegende
Rechte der Frauen in der neuen Verfassung verankert werden."
Für die Frauen Afghanistans bedeute dies, dass Zwangsheirat
und Rechtlosigkeit auch weiterhin ihren Alltag bestimmen
würden.
Montagabend hatten afghanische Frauen bei der Ratsversammlung,
die über die neue Verfassung entscheiden soll, gegen ihre
Diskriminierung und mangelnde Vertretung bei der Loya Jirga
protestiert. Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der
Bevölkerung stellen und für den Wiederaufbau des Landes
von zentraler Bedeutung sind, sind nur 100 der 500 Delegierten
Frauen. Die Frauen kritisierten, als Menschen zweiter Klasse
behandelt und bei der Besetzung von Führungspositionen in
der Ratsversammlung systematisch übergangen zu werden.
Seit Monaten verfolgen afghanische Menschenrechtlerinnen den
Verfassungsprozess mit großer Sorge, da die Rechte von
Frauen in dem Entwurf einer neuen Verfassung für Afghanistan
nicht ausdrücklich gesichert werden. Nur mit
größter Mühe konnten sich Frauen vor der
Verfassungskommission Gehör verschaffen. Ihre Forderungen
wurden von der Kommission jedoch weitestgehend ignoriert. So wird
die Gleichheit von Frauen und Männern in dem
Verfassungsentwurf nicht betont. Auch wird kein Mindestalter
für die Heirat angeben oder festgehalten, dass Frauen und
Männer bei Ehescheidungen die gleichen Rechte
genießen. Vergeblich hatten Frauen zudem gefordert, ein
Verbot der Sklaverei in der Verfassung festzuschreiben.