Bozen, Göttingen, Ankara, 6. September 2004
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen soll sich bei
der türkischen Regierung für die Rückgabe des
Dorfes Sare (türkisch Sariköy) an seine christlichen
Eigentümer einsetzen. Mit dieser dringenden Bitte hatte sich
die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an den
Politiker kurz vor seiner Abreise nach Ankara gewandt, wo er am
heutigen Montag erwartet wird. Bis heute weigerten sich die in
dem Ort in der südostanatolischen Provinz Sirnak
angesiedelten kurdischen Familien so genannter
"Dorfschützer", die Häuser an rückkehrwillige
Christen zurückzugeben, heißt es in dem Schreiben der
Menschenrechtsorganisation an Verheugen. Die Kurden hätten
mehrere Erlasse des zuständigen Gouverneurs ignoriert und
vor wenigen Wochen sogar Klage dagegen eingereicht, ihre neue
Heimat verlassen zu müssen. In Sare/Sariköy leben
inzwischen 30 kurdische Familien mit insgesamt rund 300
Angehörigen.
Die letzten assyrisch-aramäischen Familien hatten das Dorf
während des türkisch-kurdischen Bürgerkrieges im
Herbst 1994 verlassen, berichtete die GfbV. Das Militär
hatte dort daraufhin die kurdischen Dorfschützer
untergebracht, um die PKK von der strategisch wichtigen
Straße fernzuhalten. Im Juni 2001 hatte der damalige
Ministerpräsident Bülent Ecevit rückkehrwillige
Assyrer in einem Rundschreiben dazu eingeladen, wieder in ihre
Heimat zu ziehen. Im Mai 2004 hatte der Gouverneur der Provinz
Sirnak, Osman Günes, die Dorfschützer per Erlass dazu
aufgefordert, das Dorf für die christlichen Rückkehrer
bis zum 15. Juni zu räumen. Für die Rücksiedlung
der Dorfschützer sei gesorgt. Auch zwei nachfolgende Erlasse
ignorierten die Kurden jedoch.
Im Zuge der Reformen der Regierung Erdogan hat sich die Situation
der assyrisch-aramäischen Christen im Tur Abdin im
Südosten der Türkei verbessert. So wird der Unterricht
in neuaramäischer Sprache nicht mehr behindert. Einzelne
assyrisch-aramäische Familien kehren aus West- und
Mitteleuropa in ihre früheren Dörfer zurück.