Bozen, Göttingen, 31. Mai 2005
Mit
Empörung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) auf die Strafverfolgung eines führenden britischen
Helfers im Sudan reagiert. "Mit allen Mitteln will die
sudanesische Regierung ausländische Helfer mundtot machen,
die die Welt über die schweren Verbrechen gegen die
Menschlichkeit in Darfur informieren", kritisierte der GfbV-
Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. "Das
am Montag vom Sudan gegen den Leiter der dortigen Mission der
Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" eingeleitete
Verfahren wegen Staatsschutzdelikten ist ein neuer Höhepunkt
in der Einschüchterungskampagne gegen ausländische
Helfer. Wenn der Sudan mit ähnlichem Engagement gegen die
Verantwortlichen für die Völkermordverbrechen in Darfur
ermitteln würde, wäre der Genozid schon gestoppt und
viele ausländische Helfer hätten das Land schon
verlassen können."
Der sudanesische Generalstaatsanwalt Mohamed Farid hat gegen den
Leiter der Sudan-Mission von "Ärzte ohne Grenzen", Paul
Foreman, wegen Verbreitung "unwahrer Behauptungen" und
"Gefährdung des Friedens" ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet. Zwar wurde der Brite gestern wieder aus dem
Polizeigewahrsam entlassen, doch ihm drohen bis zu drei Jahre
Haft. Bis zu seinem Gerichtsverfahren darf er das Land nicht
verlassen. Foreman wird vorgeworfen, durch die Verbreitung von
Lügen das Image des Sudan zu beeinträchtigen. Im
März hatte seine Hilfsorganisation einen Report über
das erschreckende Ausmaß von Vergewaltigungen in Darfur
veröffentlicht. 80 Prozent der für den Bericht
befragten 500 Frauen hatten erklärt, von Milizionären
oder Soldaten vergewaltigt worden zu sein. Da sich Foreman auf
seine ärztliche Schweigepflicht beruft und sich weigert, den
Behörden nähere Angaben über die befragten
Gewaltopfer zu machen, unterstellt ihm die
Generalstaatsanwaltschaft, "Lügen" zu verbreiten.
"Ärzte ohne Grenzen" verfügt über
langjährige Erfahrung in Darfur und schreckte anders als
viele internationale Hilfsorganisationen auch niemals davor
zurück, das Leiden der Menschen zu dokumentieren und die
Tatenlosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft
anzuprangern. Bereits im November 2004 hatte der Sudan die
Direktoren der Hilfsorganisationen Oxfam und Save the Childrens
Fund ausgewiesen, nachdem sie in Fernsehinterviews gefordert
hatten, die Welt dürfe die Verbrechen in Darfur nicht
tatenlos hinnehmen. Mit der Anklage von Foreman gingen die
sudanesischen Behörden nun noch einen Schritt weiter bei
ihrer Einschüchterung unabhängiger ausländischer
Helfer, die den Opfern der Genozidverbrechen eine Stimme
geben.