Bozen, Göttingen, 6. Oktober 2006
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der
Europäischen Union (EU) am Freitag vorgeworfen, mit ihrem
Schweigen und ihrer Untätigkeit die Friedensverhandlungen
für Norduganda zu gefährden. "Europas Desinteresse ist
unverantwortlich, da es zum Scheitern des Friedensprozesses und
zu neuem Terror und schweren Menschenrechtsverletzungen
führen wird", warnte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.
"Es ist zynisch, wenn die internationale Staatengemeinschaft zwar
die Lage der Kinder in Norduganda als "schlimmste humanitäre
Tragödie weltweit" anprangert, andererseits aber nichts
konkret unternimmt, um dieses Leiden zu beenden und den viel
versprechenden Friedensprozess zu unterstützen."
Seit Aufnahme der Friedensverhandlungen vor drei Monaten habe
sich kein EU-Außenminister auch nur einige Stunden Zeit
genommen, um in Ugandas Hauptstadt Kampala das Interesse Europas
an einem Frieden zu betonen, kritisierte die GfbV. Im Nahen Osten
dagegen vermittelten täglich manchmal sogar mehrere
EU-Außenminister. Enttäuschend habe sich auch die
finnische EU-Präsidentschaft geäußert:
Anlässlich der Unterzeichnung der Waffenruhe für
Norduganda am 28. August habe sie nur eine fünf Sätze
umfassende Erklärung veröffentlicht.
"Nach der Verschleppung und dem Missbrauch von mindestens 20.000
Kindern als Kindersoldaten, nach Verbrechen gegen die
Menschlichkeit der Lord's Resistance Army (LRA) und der
Vertreibung sowie Verweigerung von Schutz und angemessener
Versorgung von zwei Millionen Acholi durch die ugandische Armee
versagt die EU bei der Konfliktbeilegung in Norduganda",
heißt es in einem Schreiben der GfbV an Außenminister
Frank-Walter Steinmeier. Nur humanitäre Hilfe zur
Verfügung zu stellen, sei nicht ausreichend.
Seit dem 14. Juli 2006 verhandeln in der südsudanesischen
Stadt Juba Vertreter der ugandischen Regierung und der
aufständischen LRA unter Vermittlung der
südsudanesischen Autonomieregierung über eine
Beendigung des seit 20 Jahren andauernden Krieges in Norduganda.
Zwar verständigten sich die Konfliktparteien am 28. August
auf eine Waffenruhe, doch nun droht ein Scheitern des
Friedensprozesses. Denn die LRA und die ugandische Regierung
beschuldigen sich gegenseitig, die Waffenruhe zu verletzen.
"Dringend muss Europa sein Interesse an einem dauerhaften Frieden
für Norduganda deutlich machen und den Konfliktparteien
signalisieren, dass es keine Alternative zu den
Friedensverhandlungen gibt", forderte die GfbV. Auch solle die EU
mit finanziellen Anreizen die Konfliktparteien dazu drängen,
einen dauerhaften Frieden zu vereinbaren.