Bozen, Göttingen, 30. November 2006
Mit einem Transparent mit der Aufschrift "Unser Leben lag in
Eurer Hand - Srebrenica trauert! Keine Medaillen für
Dutchbat III!" und einem 60 Meter langen Transparent mit den
Namen von 8106 Toten aus Srebrenica protestiert die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) am heutigen Montag in Assen
gegen die Ehrung niederländischer Blauhelme, die 1995 in der
damaligen UN-Schutzzone stationiert waren. Die GfbV protestiert
nicht nur gegen die Ehrung der Soldaten, in einem offenen Brief
an den niederländischen Ministerpräsidenten Dr. Jan
Pieter Balkenende und Verteidigungsminister Henricus Gregorius
Jozeph (Henk) Kamp verlangt die GfbV auch, dass die
niederländische Regierung endlich die Verantwortung für
die Tragödie übernimmt.
Der offene Brief will die niederländische Regierung daran
erinnern, dass die Soldaten des ehemaligen Dutchbat III, die
heute ihre Verdienstmedaillen bekommen, in den Jahren 1994/95 in
der ehemaligen UNO-Schutzzone von Srebrenica stationiert waren,
mit der Aufgabe, die Bevölkerung vor der serbischen
Belagerung zu schützen. Im umgebenden Drina-Tal, von Zvornik
bis hinunter nach Foca, hatten serbische Truppen zuvor bereits
1992 Völkermord an den Bosniaken verübt. Die
niederländischen Truppen haben die Menschen von Srebrenica
nicht geschützt. Sie haben versagt, wie die UNO insgesamt,
wie Europa und die USA versagt haben. Das Ergebnis ist bekannt:
8376 Jungen und Männer wurden ermordet. Hunderte,
möglicherweise bis zu 2000 Kinder, Frauen und Alte kamen ums
Leben. Die Soldaten wurden Augenzeuge dieser Morde.
Ungezählte Alte und Kinder fielen den Strapazen,
während der Flucht aus den 56 Dörfern der Enklave zum
Opfer. Junge Mädchen wurden vergewaltigt und verschwanden
oft für immer.
Das Dutchbat III trägt Mitverantwortung für diese
Tragödie. Die niederländischen Soldaten sind vor den
eindringenden Serben davon gelaufen. Sie haben keinen Schuss
abgegeben. Sie haben während dieser Tage den Verteidigern
der Stadt die wenigen letzten Waffen und die spärliche
Munition abgenommen. Aber sie haben nicht einmal versucht, die
berüchtigten Mordformationen der maskierten "Weiße
Tiger" Arkans, der "Schwarzen Adler", die Einheiten von Mladic
oder die jugoslawische Bundesarmee zu entwaffnen. Und sie haben,
laut "Ärzte ohne Grenzen", sogar die Behandlung der
verwundeten und kranken Bosniaken verweigert. 38 verletzte
Bosniaken wurden von Dutchbat im serbischen Hospital von Bratunac
"entsorgt", einer nahgelegenen "bosniakenfreien" Stadt, in der
1992 2000 Bosniaken ermordet wurden.
Wofür also sollen die erfolglosen, unglücklichen
Soldaten eigentlich auszeichnet werden? Wir haben den Eindruck,
dass man damit versucht, von der Verantwortung der
niederländischen Regierung aber auch der anderen
international Verantwortlichen abzulenken! Denn die damalige
niederländische Regierung und nicht die UN gab den Befehl
zur Evakuierung ihrer Truppen aus Srebrenica, ohne auch nur einen
Gedanken an die tausenden Einwohner der Stadt zu verschwenden,
die gerade unbewaffnet um ihr Leben rangen. Der
Oberkommandierender Thomas Karremans tauschte mit Mladic
Geschenke und prostete seinem Siege zu. Die niederländische
Regierung verbot den Soldaten über den Völkermord zu
sprechen. Vier Tage wurden sie völlig isoliert.
UNO-Sonderberichterstatter Tadeusz Mazowiecki wurde das
Gespräch mit ihnen verboten. Material, Fotos und
Videoaufnahmen, verschwanden nach der Rückkehr. Karremans
wurde befördert und verschwand als Militärattache in
die USA. Weniger die Dutchbat-Soldaten als vielmehr
Armeeführung und Regierung der Niederlande sind für den
Verrat an den gejagten und schließlich vieltausendfach
ermordeten Menschen von Srebrenica verantwortlich, für die
verweigerte Hilfeleistung und für die Komplizenschaft mit
den Mördern.
Die GfbV fordert:
- dass sich die niederländische Regierung endlich bei den
Überlebenden von Srebrenica entschuldigt;
- dass sie einen humanitären Fond für die
überlebenden Frauen und Mütter von Srebrenica
einrichtet;
- dass die Niederlande ein internationales Wiederaufbau- und
Investitionsprogramm für Srebrenica initiieren.
Fotos der Protestaktion in
Assen