Bozen, Göttingen, 25. März 2008
Die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) hat am Dienstag Vorwürfe aus China, die
internationale Berichterstattung über die Lage in Tibet sei
einseitig, als "bizarr" zurückgewiesen. "Denn es sind die
chinesischen Behörden, die mit der Ausweisung der letzten
ausländischen Journalisten unabhängigen Korrespondenten
die Möglichkeit genommen haben, sich vor Ort ein eigenes
Bild von der Lage in Tibet zu machen", sagte der GfbV-
Asienreferent Ulrich Delius. Es sei zwar bedauerlich, dass einige
Fernsehsender Beiträge über Proteste von Tibetern in
einen falschen Zusammenhang gestellt hätten. Doch wenn es
eine freie Berichterstattung gegeben hätte, wären diese
Fehler auch schnell wieder korrigiert worden.
Die Medien-Schelte zeige Pekings große Sorge, dass trotz
der totalen Nachrichtensperre in Tibet auch 15 Tage nach Beginn
der Unruhen Berichte über neue Demonstrationen und
Verhaftungen nach außen dringen könnten, meinte
Delius. Sie offenbare jedoch auch, wie wenig glaubwürdig die
vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und EU-Regierungen
beschworene Liberalisierung der Pressezensur in der Volksrepublik
sei. Die harsche Medienkritik sei ein schlechtes Omen für
die Olympia- Berichterstattung, weil zu befürchten sei, dass
sich nun mehr internationale Medien in Selbstzensur üben, um
ihre Korrespondenten in der Volksrepublik nicht zu
gefährden.
Obwohl in Tibet weiter öffentlich protestiert werde und
dabei immer mehr Menschen sterben, gebe es von führenden
Politikern und Regierungen bisher keine Rufe nach Sanktionen
gegen Chinas Führung, kritisierte die GfbV. Anders als nach
dem Tiananmen-Massaker 1989 übten sich heute alle
Regierungen in Zurückhaltung, offenbar um Chinas
Führung nicht zu verärgern. "Dabei könnten die
Regierungschefs durch ihr Fernbleiben von der offiziellen
Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele ein deutliches
Zeichen für die Menschenrechte setzen", erklärte
Delius. Sicherlich habe Chinas wirtschaftlicher und politischer
Einfluss in der Welt seit 1989 deutlich zugenommen. "Doch die
internationale Staatengemeinschaft muss sich fragen lassen, wie
glaubwürdig ihr Menschenrechtsengagement ist, wenn sie noch
nicht einmal konsequent eine unabhängige Untersuchung der
blutigen Niederschlagung der Proteste in Tibet fordert."