Bozen, Göttingen, 8. April 2008
In einem
Offenen Brief an den Präsidenten des Internationalen
Komitees (IOC), Jacques Rogge, hat die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) dem IOC am Dienstag vorgeworfen, sich
zum Sprachrohr chinesischer Regierungspropaganda zu machen. "Mit
dem Vorwurf des hochrangigen IOC-Vertreters Kevan Gosper, die
Demonstranten in London und Paris hätten ihren "Hass gegen
China" gezeigt, hat das IOC die Grenze der Geschmacklosigkeit
überschritten", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich
Delius. "Solche plumpen Verleumdungen sind wir sonst nur aus dem
Mund des chinesischen Regierungssprechers gewohnt."
Die Demonstranten wüssten sehr wohl, zwischen Han-Chinesen
und der Instrumentalisierung der Olympischen Spiele durch die
chinesische Führung zu unterscheiden. Bei den Protesten gehe
es nicht darum, China zu verdammen. Vielmehr solle Peking zu
einer verantwortungsvollen Politik gedrängt werden, die im
Einklang mit den chinesischen Gesetzen und internationalen
Menschenrechtskonventionen stehe, die von der Volksrepublik
unterzeichnet wurden.
Mit seinem vierwöchigen Schweigen zu der Verfolgung in
Tibet und Xinjiang habe das IOC entscheidend dazu beigetragen,
dass die Atmosphäre heute so gespannt sei und der olympische
Fackellauf auf so viel Widerstand stoße. Spätestens
seit den Protesten in Paris müsse das IOC eingestehen, dass
seine Politik des Ignorierens der schweren
Menschenrechtsverletzungen in China gescheitert sei. Dass es
Konflikte um Menschenrechtsfragen im Vorfeld der Wettkämpfe
geben würde, sei absehbar gewesen. Insofern sei das
vierwöchige Schweigen des IOC zu der Niederschlagung der
Unruhen in Tibet nicht nachvollziehbar gewesen und habe den Zorn
vieler Menschenrechtler auf den Kotau des IOC vor Chinas
Führung noch weiter geschürt.
Nachdrücklich appellierte die GfbV an das IOC, den
olympischen Fackellauf sowohl im Ausland wie auch in China
abzubrechen. Während er im Ausland die Proteste von
Menschenrechtlern heraufbeschwöre und die Olympische
Bewegung erschüttere, schüre er im Inland weitere
ethnische Konflikte. Dies gelte nicht nur für Tibet und
tibetisch besiedelte chinesische Provinzen, sondern auch für
das angrenzende Xinjiang. Dort in Ostturkestan seien Anfang April
bei Protesten mindestens 70 muslimische Uiguren verhaftet
worden.