Bozen, Göttingen, 10. April 2008
Die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) hat vor einer Verschärfung ethnischer
Konflikte in Afghanistan gewarnt. "Die rapide wachsenden
Spannungen zwischen einigen Nationalitäten können schon
bald auch die Sicherheit ausländischer Soldaten
gefährden", erklärte der GfbV- Asienreferent Ulrich
Delius am Donnerstag. Die afghanische Regierung sei für die
starke Zunahme ethnischer Konflikte verantwortlich, da sie die
Frage der Landrechte der verschiedenen Nationalitäten in dem
Vielvölkerstaat ignoriere.
Hunderte Angehörige des Volkes der Hazara haben am 30.
März 2008 in den Straßen Kabuls demonstriert und damit
gedroht, zu den Waffen zu greifen, um Kuchi-Nomaden davon
abzuhalten, ihr Vieh im Frühjahr auf dem Land der Hazara
grasen zu lassen. "Nieder mit den Kuchis", riefen die
Demonstranten, die von den afghanischen Behörden Schutz vor
den Nomaden forderten, die der paschtunischen
Bevölkerungsmehrheit angehören. Auch Sprecher der
Kuchis zeigten sich kampfbereit und kündigten an, ihre
Weiderechte notfalls mit Waffengewalt durchsetzen zu wollen. Die
zwei bis drei Millionen Kuchis ziehen im Frühjahr mit ihren
Herden von Kamelen, Ziegen, Schafen und Eseln auf der Suche nach
frischem Weidegrund regelmäßig in die Provinzen im
Zentrum des Landes. Dort leben die rund neun Millionen
Angehörigen der Minderheit der Hazara.
Die Afghanische Unabhängige Menschenrechtskommission warnte
jüngst, dass im Jahr 2008 die Konflikte zwischen diesen
beiden um Land streitenden Bevölkerungsgruppen noch
gewalttätiger werden könnten als in den Vorjahren.
Weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit waren im
Juni 2007 mehr als 4000 Hazara-Bauern in der Provinz Wardak im
Zentralen Hochland Afghanistans von Kuchi-Nomaden vertrieben
worden. Rund 200 bewaffnete Kuchi-Kämpfer hatten damals die
Bewohner von 65 Dörfern zur Flucht gezwungen. Afghanische
Sicherheitskräfte intervenierten nicht, um die Vertreibung
zu beenden.
"Noch immer schenkt die afghanische Regierung der
Landrechtsfrage kaum Beachtung, obwohl sie zu einem immer
größeren Sicherheitsrisiko für das Land wird",
erklärte Delius. Neben den ungeregelten Streitfragen
zwischen verschiedenen Nationalitäten habe auch der
staatlich geduldete Landraub durch Kriegsfürsten
bedrohlichen Umfang angenommen. So seien allein im Jahr 2007
mindestens 5000 Quadratkilometer Land von Warlords und anderen
einflussreichen Persönlichkeiten geraubt worden, ohne dass
afghanische Behörden eingegriffen hätten.