Bozen, Göttingen, Berlin, 11. Oktober 2007
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Donnerstag kritisiert, dass in der Diskussion um das deutsche
Afghanistan-Engagement Menschenrechte kaum eine Rolle spielten.
"Es ist skandalös, dass sechs Jahre nach dem Sturz der
Taliban noch immer Warlords, die für schwerste
Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, führende
Positionen in Regierung, Verwaltung, Parlament und Justiz
Afghanistans innehaben", erklärte die GfbV in einem
Memorandum zur Menschenrechtslage in Afghanistan.
Warlords wie der Stabschef der Armee, General Abdul Rashid
Dostum, und der zweite Vizepräsident Afghanistans, Abdul
Karim Khalili, dürften nicht Partner der internationalen
Gemeinschaft beim Wiederaufbau des zerstörten Landes sein,
sondern müssten für ihre Verbrechen endlich vor Gericht
zur Rechenschaft gezogen werden, forderte die
Menschenrechtsorganisation. General Dostum wird vorgeworfen,
für die Ermordung von 2.500 gefangenen Taliban-Kämpfern
im Jahr 2001 und für Morde sowie Verletzungen des
humanitären Völkerrechts in den 90-er Jahren
verantwortlich zu sein. Auch der von Präsident Hamid Karzai
zum Obersten Richter ernannte Haji Faizal Shinwari habe eine
düstere Vergangenheit und setze sich in seinem neuen Amt
für eine Islamisierung der Justiz und eine
Einschränkung der Meinungsfreiheit ein.
"Außerdem vermissen wir klare Äußerungen der
deutschen Bundesregierung zum geplanten Einsatz von
Sprühflugzeugen zur Drogenbekämpfung", sagte der
GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Afghanistan sei ein
Drogenstaat, doch so drakonische Methoden zur Bekämpfung der
Opiumproduktion seien kontraproduktiv und verletzten die
Menschenrechte der Zivilbevölkerung. "Wir erwarten deutliche
Worte aus Berlin zu der umstrittenen Sprühaktion. Ein
solcher Einsatz würde auch die Sicherheit deutscher Soldaten
gefährden, da er die Vorbehalte in der Bevölkerung
gegenüber der Präsenz ausländischer Truppen weiter
schüre", warnte Delius. Erfahrungen in Kolumbien hätten
gezeigt, dass die Folgen solcher Einsätze für die
Bauern katastrophal seien. Dort seien die Felder für Jahre
vergiftet und Nahrungsmittel knapp geworden.
Der neue US-Botschafter in Kabul, William Wood, der zuvor sein
Land in Kolumbien vertreten habe, übe massiven Druck auf die
afghanische Regierung aus, um ihre Zustimmung zu dem umstrittenen
Einsatz zu erhalten. Bislang verweigere sich zwar noch das
afghanische Kabinett, aber Vizepräsident Ahmed Zia Massoud
habe bereits der Verwendung von Sprühflugzeugen
zugestimmt.