Bozen, Göttingen, 8. Februar 2008
Zum Auftakt der Münchener
Sicherheitskonferenz hat die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) am Freitag den Nato-Verteidigungsministern in
der Afghanistan-Frage Einseitigkeit und Schönfärberei
vorgeworfen. "Wer die Sicherheitsprobleme Afghanistans auf die
Taliban reduziert, wird der komplexen Realität des Landes
nicht gerecht", erklärte der GfbV- Asienreferent Ulrich
Delius. "Denn auch die mit dem Karzai-Regime verbündeten
Kriegsfürsten werden immer einflussreicher und behindern den
Aufbau eines funktionierenden Rechtsstaates." Willkürlich
beugten sie das Recht. So habe sich der einflussreiche General
Abdul Rashid Dostum noch in dieser Woche erfolgreich einer
Verhaftung entzogen. "Wer in Afghanistan den Rechtsstaat
fördern will, darf nicht wie die Nato mit immer neuen
Waffenlieferungen diese Warlords fördern." So werde aus
Nordafghanistan berichtet, Dostum habe erst kürzlich neue
Waffen für den Kampf gegen die Taliban erhalten.
Der Generalstaatsanwalt Afghanistans Abdul Jabar Sabit musste am
Mittwoch einräumen, dass es zurzeit nicht möglich ist,
einen Haftbefehl gegen den Warlord zu vollstrecken, weil seine
Anhänger gewaltsam jede Strafverfolgung verhindern. Der
berüchtigte usbekische General hatte am 2. Februar mit 50
Milizionären das Haus seines ehemaligen turkmenischen
Weggefährten Akbar Bay von der Junbish-Partei gestürmt
und den Rivalen sowie einen seiner Söhne krankenhausreif
geschlagen. Erst herbeigerufene Polizisten konnten Schlimmeres
verhindern. Als die Polizei versuchte, Dostum am 3. Februar wegen
des Überfalls zu verhaften, mobilisierte er Proteste
tausender Anhänger in Nordafghanistan, die mit einem
Aufstand drohten, sollte der Warlord in Gewahrsam genommen
werden.
Dostum soll bei dem Überfall nach ihn belastenden
Dokumenten gesucht haben. Akbar Bay hatte ihn kürzlich
beschuldigt, in die Ermordung mehrerer bekannter usbekischer
Politiker verwickelt zu sein. Dostum ist Stabschef der Armee und
war früher stellvertretender Verteidigungsminister, ernannt
von Präsident Karzai. Als Führer der Junbish-Partei war
er während des Bürgerkrieges in den 90er-Jahren
für zahlreiche Plünderungen, Morde sowie für
Verletzungen des humanitären Völkerrechts
verantwortlich. Der Partner von Karzai soll auch die Ermordung
von 2.500 Taliban-Kämpfern angeordnet haben, die sich im
November 2001 ergeben hatten. Nach Augenzeugenberichten wurden
sie in Massengräbern verscharrt, aber die Regierung Karzai
unternahm nichts, um die Vorwürfe zu belegen.
Ein weiteres Indiz für die wachsende Macht der Warlords sei
das Todesurteil gegen den Journalisten Sayed Parwez Kaambakhsh.
Es war am 22. Januar 2008 nach einem unfairen Gerichtsverfahren
verhängt worden, um seinen Bruder, den Journalisten Sayed
Yaqub Ibrahimi mundtot zu machen, der in seinen Artikeln den
Einfluss der Kriegsfürsten kritisiert.