Bozen, Göttingen, 23. Januar 2008
Die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) hat am Mittwoch an Bundeskanzlerin Angela
Merkel sowie an Außenminister Frank-Walter Steinmeier
appelliert, sich persönlich beim afghanischen
Präsidenten Karzai für eine Aussetzung der Hinrichtung
des zum Tode verurteilten Journalisten Sayed Parwez Kaambakhsh
einzusetzen. Das Todesurteil gegen den 23 Jahre alten Reporter
der Zeitung "Jahan-i Naw" (Neue Welt) wurde gestern nach einem
Unrechtsverfahren in der Provinz Balkh (Nordafghanistan) wegen
Verunglimpfung des Islam verhängt. "Wieder einmal wird der
Islam missbraucht, um Kritiker der wachsenden Macht der Warlords
auszuschalten", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich
Delius. "Wenn dieses Unrechtsurteil vollstreckt wird, ist keinem
deutschen Soldaten mehr zu erklären, welche Werte er am
Hindukusch verteidigt."
Es sei ungeheuerlich, dass der stellvertretende
Generalstaatsanwalt Hafizullah Khaliqyar in Mazar-i Scharif nach
der Urteilsverkündigung protestierenden afghanischen
Journalisten mit der Festnahme gedroht habe, sollten sie ihre
Proteste fortsetzen. "Eine solche Rechtsbeugung ist nur zu deuten
als Zeichen des wachsenden Einflusses der Warlords auch in der
afghanischen Justiz", sagte Delius. Der junge Journalist war am
27. Oktober 2007 festgenommen worden, nachdem an der
Balkh-Universität ein aus dem Internet herunter geladener
Text verteilt worden war, in dem nach Behördenangaben der
Islam angegriffen worden sein soll. Kaambakhsh bestritt damals,
den angeblich mit seinem Namen unterzeichneten Text verfasst oder
verbreitet zu haben.
Journalisten in Afghanistan sind davon überzeugt, dass mit
diesem Unrechtsurteil Kaambakhshs älterer Bruder mundtot
gemacht werden soll. Sayed Yaqub Ibrahimi ist ebenfalls
Journalist und gilt als bedeutendster Kritiker der Warlords in
Nordafghanistan. Ibrahimi, der für das von der
Europäische Union geförderte Institute for War and
Peace Reporting (IWPR) als Korrespondent aus Nordafghanistan
berichtet, wurde nach mehreren kritischen Reportagen über
Warlords vom Geheimdienst verhört und mit dem Tode bedroht.
Als man ihm keine Straftaten nachweisen konnte, griff man im
Rahmen der Sippenhaft auf seinen Bruder zurück. Nach der
Verhaftung Kaambakhshs hatte der afghanische Geheimdienst das
Gerücht verbreitet, die beiden Brüder würden im
Interesse ausländischer Mächte den Islam
verunglimpfen.
"Dem jungen Journalisten droht akut die Hinrichtung, da
Präsident Karzai im Herbst 2007 ein im Frühjahr 2004
verhängtes Moratorium zur Vollstreckung der Todesstrafe
aufgehoben hat", erklärte Delius. Seither seien bereits mehr
als ein Dutzend Verurteilte hingerichtet worden. Bereits Mitte
Dezember hatte die GfbV das Auswärtige Amt,
Bundestagabgeordnete und Medien auf den Fall aufmerksam
gemacht.