Bozen, Göttingen, 19. Dezember 2006
Die Entscheidung der afghanischen Regierung,
Sprühflugzeuge zur Zerstörung von Schlafmohnfeldern
einzusetzen, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) am Dienstag als "kurzsichtigen Aktionismus" bezeichnet.
"Der breite Einsatz von Pflanzengiften wird nicht nur die
Gesundheit vieler Bauern und die Nahrungsmittelversorgung weiter
Regionen beeinträchtigen", warnte der GfbV-Asienreferent
Ulrich Delius. "Mit jedem Sprühflug wird die afghanische
Regierung auch in der eigenen Bevölkerung weiter an Ansehen
verlieren." Da Kabul die Vernichtungsaktion auf
ausländischen Druck hin veranlasst habe, werde die Gewalt
gegen Ausländer - auch gegen Bundeswehrsoldaten - weiter
zunehmen.
Erfahrungen aus Kolumbien, wo bereits seit den 70-er Jahren
Sprüheinsätze geflogen werden, zeigten die
Wirkungslosigkeit solcher Maßnahmen, erklärte die
GfbV. Seit dem Jahr 2000 seien in dem südamerikanischen
Staat mehr als 2,3 Milliarden US-Dollars für Sprüh-
Einsätze aufgewendet worden. Doch ein
Produktionsrückgang wurde nicht erzielt: Wurde in einer
Region massiv gesprüht, seien die Produzenten in ein anderes
Gebiet ausgewichen. Auch in Bolivien seien die Erfahrungen mit
der zwangsweisen Zerstörung von Drogenanbauflächen
negativ. So habe die Koka-Anbaufläche dort zwar zwischen
1997 und 2000 aufgrund von massivem Militär-Einsatz
kurzfristig abgenommen. Schon 2004 sei sie wieder
größer als vor Beginn der Zwangsmassnahmen gewesen.
"Nur durch eine Zusammenarbeit mit den Bauern und mit einer
umfassenden Förderung der Landwirtschaft kann der
Drogenanbau wirksam eingedämmt werden", meinte Delius.
Nicht erst seit 2006 die Opiumproduktion um 59% zugenommen habe,
sei Afghanistan ein Drogenstaat. "Die lokalen Gouverneure und
Drogenbarone machen ihre Geschäfte im Norden des Landes
unter den Augen der Bundeswehr und werden nicht behelligt",
berichtete Delius. "40 Prozent des in Großbritannien
vermarkteten Heroins stammen aus der von britischen Soldaten
kontrollierten Provinz Helmand." Doch die NATO unternehme nichts,
um den Drahtziehern und Profiteuren der Drogenwirtschaft Einhalt
zu gebieten, wie es der UN-Drogenbeauftragten Antonio Maria Costa
gefordert habe. "Angesichts dieser Tatenlosigkeit ist es
besonders absurd, nun mit Sprüh-Einsätzen weite
Landstriche zu verseuchen und nur die ärmsten Opfer der
Drogenwirtschaft zu bestrafen."