Bozen, Göttingen, 7. Juli 2008
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Montag vor einer Verharmlosung des Heroin- und Waffenhandels in
Nordafghanistan gewarnt. "Die Provinz Badakhshan entwickelt sich
immer mehr zum Umschlagplatz für Drogen und Waffen",
berichtete der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Deutschland,
das als einziger Staat ein Wiederaufbauteam in der
Provinzhauptstadt Faisabad unterhält, darf nicht länger
ignorieren, dass der lukrative Handel von den lokalen
Behörden offensichtlich geduldet wird."
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte in einer
Afghanistan-Debatte im Bundestag erst Ende Juni 2008 die
Bemühungen um den Wiederaufbau in Afghanistan gelobt und von
"kleinen Siegen" gesprochen. "Doch die Bekämpfung des
Drogenanbaus in der im äußersten Nordosten
Afghanistans gelegenen Provinz Badakhshan ist allenfalls ein
Pyrrhussieg", erklärte Delius, "denn während die
Drogenproduktion dort 2007 deutlich zurückgegangen sei,
nehme der Handel mit im Süden des Landes produzierten Drogen
immer mehr zu." Besonders besorgniserregend sei die starke
Zunahme des Drogen- und Waffenschmuggels. Waffenhändler aus
dem benachbarten Staat Tadschikistan tauschten auf einem Markt am
Grenzfluss Panj afghanisches Heroin gegen russische Waffen ein.
Gehandelt würden die Waffen und Drogen unter den Augen
tadschikischer und afghanischer Polizei und Grenztruppen.
Mit den Waffen würden nicht nur Taliban in
Südafghanistan versorgt, sondern auch El Kaida und andere
Terrorgruppen, berichteten Waffenhändler gegenüber dem
afghanischen Journalisten Sayed Yacub Ibrahimi, der für das
Institute for War & Peace Reporting (IWPR) in Afghanistan
arbeitet. Vor allem würden AK-74 Sturmgewehre gehandelt, die
zumeist in Einzelteile zerlegt nach Südafghanistan gebracht
und dort an Taliban in Helmand und Kandahar
weiterveräußert werden. Sie zahlten entweder mit Geld
oder Drogen. Ein anderer Teil der Waffen werde nach Pakistan
geschmuggelt, um dort auf dem Markt Landi Kotal im Khyber Pass an
El Kaida und andere Terrorgruppen für noch höhere
Preise weiterveräußert zu werden.
Die Behörden Tadschikistans sind besorgt über den
Umfang des Schmuggels. In den ersten drei Monaten des Jahres 2008
hat der Drogenschmuggel an der Grenze zu Afghanistan nach ihren
Angaben um 40 Prozent zugenommen. Auf Empfehlung der GfbV hat die
"Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte" den Kritiker
Ibrahimi für ein Jahr nach Deutschland eingeladen.
Afghanische Warlords und Sicherheitskreise hatten mehrfach
versucht, ihn mundtot zu machen, zuletzt im Januar 2008 mit einem
Todesurteil gegen seinen Bruder Sayed Parvez Kaambakhsh.