Logo


In: Home > News > Parlamentswahlen in der Türkei (12.6.011)

Sprachen: DEU | ITA


Parlamentswahlen in der Türkei (12.6.011)

Kampfflugzeuge gegen Gaddafi - Freibrief für die Türkei? Deutschland und andere NATO-Länder sollen sich für demokratische Lösung der Kurdenfrage einsetzen

Bozen, Göttingen, 8. Juni 2011

Verlassenes Dorf in Kurdistan. Verlassenes Dorf in Kurdistan.

Nach den Parlamentswahlen In der Türkei am 12. Juni sollten Deutschland und andere NATO-Länder dafür Sorge tragen, dass endlich ein ernsthafter Dialog zwischen Vertretern der Kurden und der türkischen Regierung begonnen wird, fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Denn die Glaubwürdigkeit des Bündnisses steht auf dem Spiel. Wahrend viele NATO-Länder bereit sind, die Demokratiebewegung in Libyen sogar durch den Einsatz von Kampfflugzeugen zu unterstützen, nehmen sie es in den eigenen Reihen offenbar nicht so genau, kritisiert die Menschenrechtsorganisation. Seit Jahrzehnten lassen die Nato-Staaten es zu, dass den rund 14 Millionen Kurden in der Türkei demokratische Rechte verweigert werden. Durch die kompromisslose Haltung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in der Kurdenfrage steht das Land sogar kurz vor einem blutigen Bürgerkrieg, Die deutsche Bundesregierung sollte auch mit Blick auf die in Deutschland lebenden 800.000 Kurden verstärkt für eine neue "Kurdenpolitik" einsetzen.

Die Feindseligkeiten zwischen Türken und Kurden sind im Vorfeld der Wahlen enorm gestiegen, berichtete die GfbV. Immer wieder flackern blutige Gefechte zwischen Armee und der kurdischen Arbeiterpartei FKK auf Erdogans AKP-Partei und die ultranationalistische MHP haben den Wahlkampf mit großer Aggressivität gegen die kurdische Volksgruppe geführt und dabei sogar religiösen Hass geschürt. So hat Erdogan die Zugehörigkeit der Kurden zum Islam öffentlich in Frage gestellt mit der Begründung, sie gehörten in vorislamischer Zeit der zoroastrischen Religionsgemeinschaft an. Zudem boykottierten viele Kurden in den vergangenen Wochen die "staatlichen Moscheen" und verrichteten ihre Freitagsgebete auf öffentlichen Plätzen. Auch in der Wahlwerbung der staatlichen TV-Sender wurde die Religionszugehörigkeit einzelner Volksgruppen instrumentalisiert.

Seit dem kurdischen Newroz-Fest am 21. März 2011 überzieht die türkische Regierung kurdische Politiker, Menschrechtler, Journalisten, Geistliche, Lehrer und andere mit einer Verhaftungswelle. Mitte April versuchte die staatliche Wahlkommission, zwölf prominente Bewerber, darunter die Kurden Leyla Zana, Hatip Diele (befindet sich in Haft) und Serafetin Elçi, unter Hinweis auf frühere Haftstrafen von einer Kandidatur auszuschließen. Friedliche Proteste wurden von Sicherheitskräften erstickt. Mehr als 2500 Kurden wurden festgenommen, 596 Kurden wurden bereits in der zweiten Hälfte 2010 aus politischen Gründen angeklagt. Ihnen drohen insgesamt 1219 Jahre Gefängnis.

Die überwiegende Mehrheit der mehr als 14 Millionen Kurden aber auch die Assyrer-Aramäer, Armenier, Lasen, Aleviten und Yeziden haben ihren Glauben an den Reformwillen Erdogans verloren. Sie wollen eine neue vielfältige Türkei mit einer neuen Verfassung, die die sprachlichen, kulturellen und politischen Rechte aller Volksgruppen und Religionsgemeinschaften garantiert.