In: Home > News > Indigene Völker weltweit: Von Corona hart getroffen, vom Staat kaum geschützt
Sprachen: DEU | ITA
Bozen, Göttingen, 22. Dezember 2020
Indigener Frauenmarsch in Brasilien als Widerstand gegen die repressive Politik Bolsonaros. Foto: Eliane Fernandes / GfbV.
Indigene Völker weltweit waren deutlich stärker von
der Corona-Pandemie betroffen als die Gesamtbevölkerung in
den jeweiligen Ländern. Diese erschütternde Bilanz
zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zum
Ende des Corona-Jahres 2020. "Die ständigen
Herausforderungen indigener Völker, wie relative Armut,
mangelnde politische Repräsentation und ein erschwerter
Zugang zur Gesundheitsversorgung haben sich in der Pandemie als
besonders fatal erwiesen", erklärt Yvonne Bangert,
GfbV-Referentin für indigene Völker. "In vielen
Ländern ist die Corona-Sterblichkeitsrate unter Indigenen
darum bis zu doppelt so hoch wie in der
Gesamtbevölkerung."
"In Brasilien wird die Misere durch einen Präsidenten
befeuert, der die Pandemie kleinredet und aktiv gegen indigene
Interessen arbeitet", ergänzt Juliana Miyazaki ebenfalls
GfbV-Referentin für indigene Völker. "Viele
Gemeinschaften haben eigene Kontrollpunkte eingerichtet, um
Ankommende zur Quarantäne zu verpflichten oder an der
Einreise hindern zu können. Doch illegal eindringende
Holzfäller oder Goldschürfer, oft sogar medizinisches
Personal bringen auch das Virus mit." Bis Mitte Dezember seien
über 42.000 Infektionen und fast 900 Tote unter Indigenen
bestätigt worden. Auch in anderen Staaten Lateinamerikas und
der Karibik seien die Zahlen alarmierend. Kolumbien meldete bis
vor einem Monat gut 35.000 Infektionen unter Indigenen und
über 1.200 Tote, Mexiko schätzt die Zahl der
infizierten Indigenen auf gut 9.000 und die Zahl der Toten auf
gut 1.100. "Die meisten dieser Zahlen werden die
tatsächlichen Infektions- und Sterberaten aber eher
unterschätzen, weil vergleichsweise wenig und unsystematisch
getestet wird. Indigene in Ecuador mussten die Tests selbst
organisieren und finanzieren. Von 10.000 Test waren über
3.200 positiv - eine sehr hohe Rate", berichtet Miyazaki. "Mit
den Corona-Toten verlieren indigene Völker viel
traditionelles Wissen. Gerade die Älteren erhalten ihre
Kulturen als lebendige Bibliotheken. Viele werden ihr Wissen nun
nicht mehr an die nächste Generation weitergeben
können." Auch in den vergleichsweise reichen Ländern
Nordamerikas waren Indigene wesentlich stärker von der
Pandemie betroffen und hatten einen schlechteren Zugang zu
Informationen und medizinischer Versorgung. In den USA mussten
sie die Auszahlung ihrer Corona-Nothilfe vor Gericht
einklagen.
"Die indigenen Völker der Arktis, vor allem in Russland,
sind dem Virus oft durch Großbaustellen für
Ölförder- und Bergbauprojekte ausgesetzt. Dort tummeln
sich hunderte Menschen aus allen Landesteilen, die Belegschaft
wechselt zudem häufig - ideale Bedingungen für die
Ausbreitung also", berichtet Yvonne Bangert. "Zudem hat die
russische Regierung in den letzten Jahren zahlreiche kleinere
medizinische Einrichtungen geschlossen. Im Falle einer Infektion
sind die Indigenen auf sich allein gestellt. Vom Staat haben sie
keine Unterstützung zu erwarten. Gleichzeitig brechen ihnen
die wirtschaftlichen Grundlagen weg. Denn sie können ihre
Produkte wie etwa Rentierfleisch wegen der Corona-Auflagen nicht
mehr in größeren Siedlungen verkaufen."
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/201201de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/201111de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200924de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200917de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200722de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200717de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/201016de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200730de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200416de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200610de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200518de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200511de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200429de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200327de.html |
www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/brasil-tras-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/water2017-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/sud2010-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/global-sozial.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/global.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/palmoel.html
in www: https://de.wikipedia.org/wiki/Indigene_Völker