Bozen, Göttingen, Straßburg, 14. Oktober 2004
Die Gesellschaft für bedrohte Völker
International (GfbV) hat anlässlich der Übergabe des
Sacharow-Preises an die kurdische Bürgerrechtlerin Leyla
Zana am Donnerstag in Straßburg an das Schicksal von noch
rund 3.500 kurdischen politischen Gefangenen in der Türkei
erinnert und ihre sofortige Freilassung gefordert. Das Schicksal
Zanas, die nach zehn Jahren Haft im Juni 2004 ihre Freiheit
erhielt, sei ein prominentes Beispiel für zahlreiche
Unrechtsurteile, die die türkische Justiz gegen Kurden und
einige Angehörige der assyrisch-christlichen Minderheit
gefällt hat und unter denen die Verurteilten und ihre
Angehörigen bis heute zu leiden hätten, erklärte
die GfbV.
Es sei absurd, dass einerseits die Verbrechen der
türkischen Armee gegen die kurdische Zivilbevölkerung
wie die Zerstörung von über 3.400 Dörfern und die
Vertreibung von rund 2,4 Millionen Kurden nicht geahndet werden.
Andererseits sollen jedoch Tausende, die dem bewaffneten Kampf
der Kurden gegen ihre jahrzehntelange Unterdrückung
zugestimmt oder ihn auf unterster Ebene unterstützt haben,
jahrelang in türkischen Gefängnissen sitzen,
kritisierte der Präsident der GfbV International, Tilman
Zülch, in einem Schreiben an den türkischen
Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Allerdings
müssen diejenigen auf beiden Seiten, die sich schwerer
Kriegsverbrechen während des türkisch-kurdischen
Krieges schuldig gemacht haben, konsequent zur Rechenschaft
gezogen werden."
Für die Freilassung von Leyla Zana hatte die GfbV sich in
den vergangenen Jahren intensiv eingesetzt und mehrere
Menschenrechtskampagnen initiiert. Die Kurdin war 1994 von einem
türkischen Gericht zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil
sie bei ihrer Vereidigung als Abgeordnete des türkischen
Parlaments kurdisch gesprochen, sich mutig für die Rechte
der Kurden eingesetzt und auch internationale Medien mehrfach
unerschrocken über schwere Menschenrechtsverletzungen der
türkischen Armee in Südostanatolien informiert hatte.
1995 wurde sie mit dem Sacharow-Preis des Europäischen
Parlaments für geistige Freiheit ausgezeichnet, den sie nun
neun Jahre später am heutigen Donnerstag endlich
entgegennehmen kann.