Bozen, Göttingen, 3. August 2008
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Sonntag den Rücktritt von IOC-Präsident Jacques Rogge
gefordert, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) am
Samstag erneut vor der Willkür chinesischer Behörden
eingeknickt war. "Der IOC-Präsident hat mit seinem
katastrophalem Krisenmanagement und widersprüchlicher
Informationspolitik der Olympischen Idee und der Achtung der
Menschenrechte in China schweren Schaden zugefügt",
kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Rogges
bedingungslose Anbiederung an Chinas Führung habe das
Maß des Erträglichen überschritten und die
Grenzen der vom IOC beschworenen politischen Neutralität
missachtet.
Rogge hatte am Samstag auf einer Pressekonferenz in Peking sein
Versprechen zurückgenommen, dass es für
ausländische Korrespondenten während der Olympischen
Spiele absolute Pressefreiheit gäbe, und trotz des aktuellen
Streits um die Medienzensur von "exzellenten Arbeitsbedingungen"
für Journalisten gesprochen.
"Um in Zukunft ein ähnliches Debakel zu verhindern, muss
das IOC verbindliche Menschenrechtsstandards für die Vergabe
und Durchführung der Olympischen Spiele einführen",
forderte Delius. "Das IOC ist weltfremd, wenn es gemäß
seinen Umweltstandards zwar einerseits regelmäßig die
Luftqualität an den Austragungsorten überprüfen
lässt. Es ihm andererseits jedoch offensichtlich
gleichgültig ist, wenn es neben den Stadien zu
Massenverhaftungen kommt." Wie das Beispiel China zeige, hindere
die Menschen nicht nur schlechte Luft daran zu atmen.
Rogges Unfähigkeit, auf die immer neuen Wortbrüche
Chinas angemessen zu reagieren, sei umso erschreckender, als das
Debakel vorhersehbar gewesen sei. Im Vorfeld der Olympi-schen
Spiele habe in China mit einer Zunahme der
Menschenrechtsverletzungen gerechnet werden müssen. Rogge
hätte darauf vorbereitet sein und angemessen reagieren
müssen. Doch er habe nach dem Ausbruch der Unruhen in Tibet
im März 2008 ganze vierzehn Tage benötigt, bevor er
öffentlich seine Besorgnis über die Gewalt
äußerte. Auf Pekings Stasi-Methoden der
Einschüchterung während des olympischen Fackellaufes in
Xinjiang/Ostturkestan und Tibet habe er gar nicht reagiert,
kritisierte Delius. Ohne Folgen blieb auch eine politische
Hetzrede des Chefs der Kommunistischen Partei in Tibet bei der
Ankunft des Fackellaufes in Lhasa, in der der Dalai Lama massiv
angegriffen wurde. Stattdessen habe der IOC-Präsident noch
am 25. April 2008 öffentlich davor gewarnt, auf China wegen
seiner Menschenrechtslage "einzuhacken".