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Afrin / Nordsyrien: Türkische Armee nimmt auch zivile Ziele ins Visier

Bilanz des Schreckens nach 23 Tagen Angriffskrieg in Nordsyrien - 43 Kinder und Frauen unter den 160 Getöteten von Afrin

Bozen, Göttingen, 12. Februar 2018

Die Angst vor türkischen Angriffen auf Afrin ist leider Wirklichkeit geworden: die Regione riskiert eine humanitäre Katastrophe. Foto: GfbV. Die Angst vor türkischen Angriffen auf Afrin ist leider Wirklichkeit geworden: die Regione riskiert eine humanitäre Katastrophe. Foto: GfbV.

Eine erschreckende Bilanz zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) nach 23 Tagen Angriffskrieg der Türkei auf die mehrheitlich von Kurden bewohnten nordwestsyrische Provinz Afrin. Nach Recherchen des GfbV-Nahostreferenten Kamal Sido, der ständig mit seinen Angehörigen und Gewährsleuten in der Region Kontakt hält, sind bereits mindestens 160 Zivilisten durch die Angriffe türkischer Kampfflugzeuge, schwerer Artillerie, Raketenwerfer und Panzer getötet worden. Unter den Toten sind 26 Kinder und 17 Frauen. 395 Zivilisten wurden verwundet. Etwa 60.000 Menschen mussten aus ihren Dörfern in die überfüllte Kantonhauptstadt Afrin fliehen. 60 Ortschaften wurden zum Teil vollständig zerstört. Die wenigen alten Frauen und Männer, die nicht flüchten konnten, wurden gefangen genommen und misshandelt. Viele wurden gezwungen, die türkische Armee und die mit ihnen verbündeten islamistischen Milizen vor laufenden Kameras zu loben.

Türkische Kampflugzeuge haben ohne Unterlass auch zivile Ziele angegriffen wie die Trinkwasser-Werke "Matina" im Norden von Afrin, kritisierte Sido. Die Werke mussten mehrmals und zum Teil tagelang außer Betrieb genommen werden. Etwa 300.000 Menschen wurden nicht mit Wasser versorgt. Die Bombenangriffe gefährden auch die Trinkwasserleitungen der Stadt. Darüber hinaus wird befürchtet, dass durch zerstörte Abwasserleitungen Krankheiten ins Trinkwasser gelangen könnten. Hinzu kommt, dass der einzige Stausee, der Afrin mit Wasser versorgt, höchst gefährdet ist. Immer wieder schlagen Raketen und Artilleriegeschosse in unmittelbarer Nähe des Staudammes ein.

Schwere Schäden gibt es auch in der Landwirtschaft, Infrastruktur und den historischen Städte Afrins zu beklagen. Bauernhöfe der Kurden gingen in Flammen auf, landwirtschaftliche Maschinen wurden zerstört oder geraubt, Olivenölbehälter oder Silos mit Getreidesaat vernichtet. Ganze Olivenhaine und Obstplantagen wurden in Brand gesetzt, angeblich weil kurdische YPG-Kämpfer sich dort verstecken könnten. Sie schützen die Region seit 2012 vor Islamisten. 50.000 Schüler können nicht mehr zum Unterricht gehen, weil ihre Schulgebäude zum Teil vollständig zerstört wurden.

Die türkische Armee und syrische Islamisten versuchen auch die Kultur und die Geschichte Afrins auszulöschen. So wurde ein Großteil des 3000 Jahre alten weltbekannten und aus der Späthethiter Zeit stammenden antiken Tempels von Ain Dara zerstört. Ebenso wurde die Hori-Zitadelle mit ihrem antiken Theater im Norden von Afrin dem Erdboden gleichgemacht.