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Nordsyrien / Türkei: Unsicherheit in autonomem Kurdengebiet Nordsyriens wächst

Weltsicherheitsrat soll türkischen Angriff auf Afrin und Massenflucht verhindern!

Bozen, Göttingen, 22. August 2017

In der Region Afrin leben nahezu eine Million Menschen. Die Hälfte von ihnen sind Flüchtlinge, vor allem aus dem nur 55 Kilometer entfernten Aleppo. Foto: Tîrast Cudî, GfbV Archiv. Die Menschen in Afrin leben in ständiger Angst vor Attacken des türkischen Militärs, das durch unberechenbaren Beschuss einzelner Ziele eine kaum erträgliche Unsicherheit und Anspannung auch unter den vielen Flüchtlingen in der Region erzeugt. Foto: GfbV.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat an den Präsidenten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, Amr Abdellatif Aboulatta, appelliert, einen drohenden Angriff der türkischen Armee und der mit ihr verbündeten syrischen Radikalislamisten auf die mehrheitlich von Kurden bewohnte Region Afrin im Nordwesten Syriens zu verhindern. "Die Menschen in Afrin leben in ständiger Angst vor Attacken des türkischen Militärs, das durch unberechenbaren Beschuss einzelner Ziele eine kaum erträgliche Unsicherheit und Anspannung auch unter den vielen Flüchtlingen in der Region erzeugt", berichtete der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Dienstag in Göttingen und warnte: "Wenn die Angriffe noch massiver werden, werden sie eine neue Massenflucht Richtung Europa auslösen."

Mit großer Sorge verfolgt der Menschenrechtler die Berichte internationaler Medien über einen möglichen Deal zwischen der Türkei, dem Iran und Russland. Demnach soll die Türkei die Islamisten in der syrischen Provinz Idlib im Westen von Afrin fallen lassen. Im Gegenzug würde Russland dulden, dass die Türkei die Kurden in Afrin angreift. Zuletzt hat die türkische Artillerie am 16. August die Umgebung des kurdischen Dorfes Jalbul angegriffen. Dort befindet sich auch das Flüchtlingslager Robar mit mehreren Tausend Familien aus Nord-Aleppo. Von 2011 bis 2017 wurden in Afrin 30 Zivilisten vom türkischen Militär getötet und mindestens 35 verletzt. Etwa 15.000 Olivenbäume wurden vernichtet. In den Sommermonaten werden immer wieder auch Getreidefelder in Brand gesetzt.

"Die internationale Staatengemeinschaft und insbesondere der UN-Sicherheitsrat müssen dafür sorgen, dass die türkischen Raketen- und Artillerieangriffe auf Afrin beendet werden", forderte die Präsidentin des Kantons Afrin, die alawitische Kurdin Hevi Mustafa in einem Telefonat mit Sido. Der dort lebende kurdische Politiker und Chef der oppositionellen "Kurdischen Demokratischen Einheitspartei in Syrien" (Al Wahda), Muhiddin Sheikhali, versicherte: "Die Bewohner von Afrin und ihre autonome Selbstverwaltung sind keine Bedrohung für die Sicherheit der Türkei. Ganz im Gegenteil, wir sind für gute nachbarschaftliche Beziehungen und hoffen, dass die türkische Regierung ihre Grenzen endlich für humanitäre Hilfe und Grenzhandel öffnet."

Die Kurden bezeichnen die Region Afrin mit ihren insgesamt 366 Dörfern und sieben Städten als Kanton. Dort leben nahezu eine Million Menschen, die Hälfte von ihnen Flüchtlinge, vor allem aus dem nahen Aleppo. Die Stadt Afrin hatte vor dem Bürgerkrieg bis zu 80.000 Einwohner. Sie liegt 25 Kilometer südlich bzw. östlich der syrisch-türkischen Grenze. Der Kanton wird autonom selbst verwaltet. Die meisten Kurden im Kanton sind sunnitische Muslime. Es gibt jedoch auch ein kurdisch-alawitisches Dorf mit etwa 5.000 Einwohnern sowie einige Tausend Yeziden in mehreren Orten, vor allem an der Außengrenze des Kantons.