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Nordsyrien: Angriffskrieg der Türkei gegen Afrin

Der türkische Präsident Erdogan nimmt eine neue humanitäre Katastrophe in Kauf und destabilisiert den gesamten Nahen Osten

Bozen, Göttingen, 22. Januar 2018

Die Angst vor türkischen Angriffen auf Afrin ist leider Wirklichkeit geworden: die Regione riskiert eine humanitäre Katastrophe. Foto: GfbV. Die Angst vor türkischen Angriffen auf Afrin ist leider Wirklichkeit geworden: die Regione riskiert eine humanitäre Katastrophe. Foto: GfbV.

Schockiert von den Angriffen der türkischen Armee auf die friedliche benachbarte Kurdenregion Afrin im Nordwesten Syriens warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor einer neuen humanitären Katastrophe. "Die Staaten Europas müssen Erdogan sofort davon abzubringen, weiterhin Dörfer im Nachbarland zu attackieren und so eine Destabilisierung des gesamten Nahen Ostens zu provozieren", erklärte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Freitag in Göttingen. Gerade die von Kurden verwalteten Regionen im Norden Syriens, in denen sehr viele Flüchtlinge aus anderen Gebieten des Bürgerkriegslandes Aufnahme und Schutz gefunden haben, hätten entscheidend dazu beigetragen, ein zerbrechliches Gleichgewicht der Kräfte in der Region aufzubauen. Dies nun zu zerschlagen werde vielen tausend Menschen auf nicht absehbare Zeit unermessliches Leid bringen.

Dörfer und Städte in Afrin werden seit Tagen von schwerer Artillerie, Raketenwerfern und Panzern des türkischen Militärs beschossen. Unterstützt werden diese Bombardements von syrischen islamistischen Milizen, die von der türkischen Regierung unterstützt werden. So schlagen Geschossen von allen Seiten in den Ortschaften ein. Dort leben muslimische Kurden, Yeziden und Christen sowie zehntausende arabische Flüchtlinge aus Aleppo und anderen syrischen Regionen. Für diese Menschen war Afrin bisher relativ sicher. Doch jetzt werden diese Flüchtlinge wieder zur Flucht gezwungen. "Das ist eine Tragödie, die unbedingt aufgehalten werden muss", sagte Sido.

Der GfbV-Nahostexperten hält ständig im Kontakt mit vielen Menschen in Afrin. "Kurdische Politiker, aber auch einfache Dorfbewohner hoffen dringend auf die EU, die USA und andere Staaten, um Erdogan zu stoppen", berichtete der Menschenrechtler.

Schätzungen zufolge hatte die Stadt Afrin vor dem syrischen Bürgerkrieg zwischen 44.000 und 80.000 Einwohner. In der gleichnamigen Region Afrin sollen heute nahezu eine Million Menschen leben. Die Hälfte von ihnen sind Flüchtlinge, vor allem aus Aleppo. Die meisten Kurden in Afrin sind sunnitische Muslime; es gibt jedoch auch ein kurdisch-alawitisches Dorf sowie einige zehntausend Yeziden in verschiedenen Dörfern. Diese liegen vor allem an der Außengrenze des Bezirkes Afrin, die immer wieder von den Radikalislamisten aber auch vom türkischen Militär beschossen wird. Humanitäre Hilfe, die die Zivilisten in Afrin dringend benötigen, wird von der Türkei blockiert. Sie hält die Grenzübergänge geschlossen.