In: Home > News > Munzur-Tal in der Türkei: Aleviten befürchten die Zerstörung ihrer Umwelt und Kultur
Sprachen: DEU | ITA
Bozen, Göttingen, 25. August 2020
Die Provinz Dersim ist von Bergen umgeben. Foto: Alisan Önlü.
Alevitische Vereine in der Türkei und in Europa
protestieren gegen "Umbaumaßnahmen" in der Provinz Dersim
(Türkisch: Tunceli). Sie werfen Präsident Erdogan und
seiner islamistischen AKP-Partei vor, die für kurdische
Aleviten heiligen Munzur-Quellen zerstören zu wollen. Die
türkische Regierung beabsichtigt nach eigenen Angaben, dort
große Tourismuskomplexe zu bauen. "Die lokale
Bevölkerung ist in die Pläne und Baumaßnahmen
nicht eingebunden. Anscheinend plant die islamistische Regierung
der Türkei, die uralte alevitisch-kurdische Region Dersim
weiter türkisieren und islamisieren", vermutet Dr. Kamal
Sido, Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte
Völker. "Die alevitischen Bevölkerung wurde in den
1930er Jahren schon einmal Opfer von Genoziden. Nun scheint es,
dass die Regierung in Ankara dort gezielt Sunniten ansiedeln
wird."
"Wie schon die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee, sieht
die alevitische Bevölkerung dieses Vorgehen als weiteren
Schritt zur vollständigen Islamisierung der Türkei",
erklärt Sido. Die etwa 20 Millionen türkischen,
kurdischen und arabischen Aleviten in der Türkei
fühlten sich von diesem aggressiven Islamisierungskurs
bedroht. Obwohl es bereits über 80.000 Moscheen in der
Türkei gebe, würden täglich neue errichtet, Sie
entstünden auch in alevitischen Ortschaften, meist gegen den
Willen ihrer Bevölkerung.
In den letzten Jahren haben mehrere Staudammprojekte die Umwelt
in Teilen des Munzur-Tals schwer belastet. "Die neuen
touristischen Bauten könnten das Gesicht der Munzur-Quellen
für immer verändern. Die natürliche Schönheit
der Region wird Schaden nehmen, ebenso wie die traditionellen
Gebetsstätten der Aleviten", so Sido. Diese
Gebetsstätten zählten zu den heiligsten Stätten
der alevitischen Kurden in der Türkei und Syrien.
Das Wasser des Munzur-Flusses entspringt aus etwa 40 Quellen.
Alevitische Gläubige pflegen sie seit Jahrhunderten. Nach
ihrem Glauben darf der natürliche Zustand dieser Quellen
nicht zerstört oder verändert werden. "Sie sind
Gebetsstätten und Treffpunkt für hunderttausende
alevitische Pilgernde aus der ganzen Welt. Dort beten sie und
verteilen ihr Abendmahl Miyaz", erklärt Sido. Die Quellen
hätten im Alevitentum den gleichen Stellenwert wie der
Wallfahrtsort Fatima in Portugal bei für katholische
Gläubige.
Das Alevitentum ist in der Türkei nicht als
eigenständige Glaubensgemeinschaft anerkannt. Viele
alevitische Gläubige bezeichnen sich zwar als Muslime,
lehnen den islamischen Gesetzeskodex Scharia aber strikt ab. Auch
andere Rituale des Islams spielen für sie keine Rolle. Sie
beten nicht in Moscheen und pilgern nicht nach Mekka.
Während Frauen im Islam den Männern in der Regel
untergeordnet sind, sind sie im Alevitentum gleichgestellt. Sie
beten gemeinsam in Cem-Gebetshäusern.
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200715de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200617de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200512de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200311de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200116de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2019/191028de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/191017de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/191010de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/191009de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/191008de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/191007de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/190912de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/190730de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/190314de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2019/190118de.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/turkurd.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/dersim-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/kurdi/nordsiria2017.html
in www: https://de.wikipedia.org/wiki/Aleviten