Bozen, Göttingen, 11. Oktober 2005
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat dem
US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, am
Dienstag "skandalöse Effekthascherei auf dem Rücken der
leidenden Zivilbevölkerung in Darfur" vorgeworfen. Bolton
hatte dem UN-Sonderbeauftragten für die Verhinderung von
Völkermord, Juan Mendez, untersagt, im Weltsicherheitsrat
über die alarmierende Lage im Westen des Sudan zu berichten
und damit eine Debatte über Möglichkeiten der
Eindämmung der fortdauernden Verbrechen verhindert.
Daraufhin hatte Mendez auf einer Pressekonferenz vor einer
Gewalteskalation in Darfur gewarnt.
"Durch diese Politik verbünden sich die USA mit den besten
Freunden der sudanesischen Regierung: mit China und Russland, die
unbequemen Menschenrechtlern den Mund verbieten", kritisierte der
GfbV- Afrikareferent Ulrich Delius. Es sei zwar
verständlich, wenn Bolton den Vereinten Nationen vorwerfe,
zu viel über den Sudan zu sprechen und zu wenig zu handeln.
Doch auch die USA hätten zur Beendigung des Genozides und
zum Schutz der leidenden Zivilbevölkerung bisher nicht viel
Konkretes beigetragen, obwohl sie schon vor 13 Monaten erstmals
öffentlich die schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit
als Völkermord bewertet hatten. Nach starkem Druck aus dem
US-Kongress und der Veröffentlichung einer
Flüchtlingsbefragung durch das US-Außenministerium
hatte das Weiße Haus am 9. September 2004 öffentlich
erklärt, in Darfur werde Völkermord verübt.
"Für die US-Regierung ist der "Kampf gegen den Terror"
offensichtlich wichtiger als die Eindämmung von
Völkermord", kritisierte Delius. So habe der US-Geheimdienst
CIA seine sudanesischen Kollegen gelobt, weil sie ihnen
Informationen über muslimische Extremisten zur
Verfügung gestellt hatten. Der CIA sei auch nicht davor
zurückgeschreckt, in der letzten April-Woche 2005 ein
Flugzeug in den Sudan zu senden, um den umstrittenen Chef des
sudanesischen Geheimdienstes Generalmajor Salah Abdallah Gosh zu
Geheimgesprächen nach Washington auszufliegen. Gosh gilt als
einer der Drahtzieher der sudanesischen Unterstützung
für die in Darfur mordenden Janjaweed- Milizen. Dem
Völkermord in Darfur sind seit 2002 bis zu 400.000 Menschen
zum Opfer gefallen. Rund 2,4 Millionen Zivilisten wurden seither
von regierungsfreundlichen Janjaweed-Milizen systematisch
vertrieben.