Bozen, Göttingen, 30. Dezember 2005
Mehr als 3,5 Mio. Menschen - fast ausschließlich
Schwarzafrikaner christlichen und muslimischen Glaubens oder
Anhänger eigener Religionen - sind im Sudan in den
vergangenen fünf Jahrzehnten Völkermord,
Bürgerkrieg, Vertreibung und anderen schweren
Menschenrechtsverletzungen zum Opfer gefallen. Diese
Schreckensbilanz zieht die Gesellschaft für bedrohte
Völker International (GfbV) anlässlich des 50.
Jahrestages der Ausrufung der Unabhängigkeit des Sudan am 1.
Januar 1956. Mit Duldung der britischen Sudanadministration
hatten schon im Jahr vor der Unabhängigkeitserklärung
nordsudanesische Militäreinheiten demonstrierende
südsudanesische Arbeiter massakriert.
Zwei Generationen der Dinka, Nuer, Schilluk, Bari, Zande und
anderer Völker im Südsudan haben Frieden so gut wie
niemals kennen gelernt. Durch Völkermord kamen dort seit der
Unabhängigkeit rund 2,5 Millionen Menschen ums Leben. Auch
die Nuba-Völker in der an den Südsudan angrenzenden
Nuba-Region Kordofan wurden 1987 bis 2003 Opfer von Genozid.
Diese Vernichtung von etwa 500 000 Menschen wurde von UN-
Sonderberichterstatter Gaspar Biro dokumentiert. Bis heute begeht
die islamistisch-arabische Militärregierung Völkermord,
dieses Mal im Westsudan in der Region Darfur. Dort sind seit 2001
bis zu 400.000 muslimische Schwarzafrikaner den Verbrechen gegen
die Menschlichkeit, begangen von arabischen Milizen und den
Truppen des Militärregimes, zum Opfer gefallen. Dort sowie
an der Ostküste des Sudan im Land der Beja geht das Morden
von Tag zu Tag weiter.
Der Sudan ist nach Auffassung der GfbV ein Paradebeispiel
für die fehlgeleitete staatliche Entwicklung in vielen
Teilen Schwarzafrikas. Die britische Kolonialmacht fügte den
Sudan willkürlich aus schwarzafrikanischen und
arabischsprachigen Teilen zusammen, ohne das Mitspracherecht der
schwarzafrikanischen Mehrheit zu berücksichtigen. Westliche
Demokratien wie kommunistische Diktaturen unterstützten
jahrzehntelang die wechselnden arabisch-islamischen
parlamentarischen oder von Militärs geführten
Zentralregierungen in Khartum, lieferten Waffen und stellten
Militärberater.
"So haben die internationale Staatengemeinschaft und die
Vereinten Nationen kontinuierlich dabei versagt, diesen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit Einhalt zu gebieten und der
Bevölkerung dauerhaften Frieden zu bringen", sagt der
Präsident der GfbV International, Tilman Zülch. Der
einzige Erfolg sei bisher das im Januar 2005 von den USA
durchgesetzte Friedensabkommen für den Südsudan. Es
habe wenigstens den seit 1955 mit Unterbrechungen andauernden
Genozid gegen die schwarzafrikanische Bevölkerung in diesem
Landesteil beendet. Doch stehe auch dieser Friedensprozess in
Frage, so lange die internationale Gemeinschaft den fortdauernden
Genozid in Darfur toleriert. Nur ein föderativ organisierter
und demokratisch regierter Sudan mit regionaler Selbstverwaltung
der schwarzafrikanischen und arabisierten Bevölkerung werde
den sudanesischen Staatsverband erhalten können.