Bozen, Göttingen, 29. November 2006
Als befremdend hat die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) den Besuch des Papstes am Dienstag im
Atatürk-Mausoleum in Ankara bezeichnet. "Die Unterlagen in
den Archiven des Vatikans hätten ausreichen müssen, um
das Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche darüber
zu informieren, dass in den 20-er und 30-er Jahren unter Kemal
Atatürk in der Türkei hunderttausende Christen
getötet und mehrere Millionen vertrieben worden sind",
erklärte der GfbV-Generalsekretär Tilman
Zülch.
Nach dem Genozid der Jungtürken an etwa 1,5 Millionen
Armeniern und rund 500.000 christlichen Assyrern/Aramäern
habe Atatürk die Eliminierung der Christen fortgesetzt.
Mindestens 200.000 Christen in der Region um die Hafenstadt
Smyrna, dem heutigen Izmir, und in Ostthrazien im
europäischen Teil der Türkei fielen unter seiner
Herrschaft Massenmorden zum Opfer. Anderen Schätzungen
zufolge könnten dabei bis zu 350.000 Christen getötet
worden sein. Mindestens zwei Millionen griechisch- orthodoxe,
aber auch armenische und assyrisch-aramäische Christen aus
dem Pontos (Kappadokien) und Ionien sowie arabische Christen aus
dem Sandschak Alexandrette, dem heutigen Iskenderun, wurden
damals vertrieben. Der Anteil der Christen an der
Gesamtbevölkerung innerhalb der Grenzen der heutigen
Türkei fiel so innerhalb von 50 Jahren von 20 Prozent auf
etwa 0,1 Prozent.