Bozen, Göttingen, Ankara, 15. Dezember 2006
Anlässlich der Wiederaufnahme des "Sprachprozesses" gegen
13 Vorstandsmitglieder der kurdisch orientierten HAK-PAR, Partei
für Grundrechte und Freiheiten (Hak ve
Özgürlükler Partisi) am Freitag in Ankara haben
die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und das
Internationale Zentrum für Menschenrechte der Kurden (IMK
e.V.) der türkischen Regierung "EU-Untauglichkeit"
vorgeworfen.
"Ein Staat, der seinen Bürgern mit Strafe droht, nur weil
sie Angehörige ihres eigenen Volkes in ihrer eigenen Sprache
begrüßen, ist in keinem Land Europas vorstellbar
außer in Weißrussland und in der Türkei",
heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden
Menschenrechtsorganisationen. Europa dürfe nicht hinnehmen,
dass die Türkei die Existenz von mehr als 15 Millionen
Kurden in Südostanatolien, deren Gebiet sich auf etwa ein
Viertel des türkischen Territoriums erstreckt,
leugnet.
Nach fast 90 Jahren ethnischer Unterdrückung und Verfolgung,
nach dem blutigen türkisch-kurdischen Bürgerkrieg, den
sowohl die türkische Armee als auch die extremistische PKK
mit terroristischen Methoden führten, müsse die
tatsächliche Anerkennung der Kurden Gradmesser für die
Demokratisierung der Türkei sein. Beide
Menschenrechtsorganisation, die GfbV und das IMK e.V., fordern
die konsequente Gleichberechtigung beider Sprachen im
öffentlichen Leben, bei Behörden, Gerichten und im
Bildungssystem. Sie schlagen vor, dass die Türkei ab Beginn
des nächsten Schuljahres 2007 in allen Volksschulen des
kurdischen Sprachgebietes zweisprachigen Unterricht in Kurdisch
und Türkisch einführt.
Es sei ein Skandal, dass die 13 kurdischen Politiker heute zum
neunten Mal vor Gericht erscheinen, weil sie auf einer
öffentlichen Veranstaltung kurdisch gesprochen haben. Dies
gilt nach dem türkischen Parteiengesetz Nr. 2820, § 81c
noch immer als Rechtsverstoß. Die HAK-PAR hatte zu ihrem
ersten Kongress in Ankara am 4. Januar 2004 Einladungskarten in
kurdischer und türkischer Sprache versandt. Die
Begrüßungsansprache vor den durchweg
kurdischsprachigen Teilnehmern wurde sowohl auf kurdisch als auch
auf türkisch gehalten. Die HAK-PAR setzt sich für eine
gewaltfreie föderalistische und demokratische Lösung
der Kurdenfrage ein und distanziert sich nachdrücklich von
der PKK.