Bozen, Göttingen, Berlin, 23. März 2007
Zur Halbzeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag eine
kritische Bilanz der Afrikapolitik der EU gezogen. "Deutschland
hat die Chance bislang nicht genutzt, der EU außenpolitisch
die Stimme zu geben, die ihrem Einfluss in Afrika entspricht",
sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Die
EU-Afrikapolitik ist ein Desaster und bleibt weit hinter den
Erwartungen zurück, die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor
Übernahme der Ratspräsidentschaft geweckt hat." Europa
versage nicht nur in der Darfur-Frage. Auch in Somalia, im Tschad
und in der Zentralafrikanischen Republik eskaliere die Gewalt.
Doch der EU gelinge es nicht, mit einer Stimme zu sprechen und
Friedensbemühungen wirksam zu unterstützen. In Uganda
schaue Europa tatenlos zu, wie der Friedensprozess
scheitere.
Besonders enttäuschend sei die Tatenlosigkeit Berlins
angesichts der anhaltenden Verbrechen und des drohenden
Zusammenbruchs der humanitären Hilfe in Darfur, da
Deutschland noch in den Jahren 2004/2005 eine Führungsrolle
bei der Bekämpfung der Straflosigkeit im Westen des Sudan
eingenommen habe. Seit Beginn des Völkermords im Februar
2003 habe der Europäische Rat in 19 Erklärungen seine
"Betroffenheit" über die Lage in Darfur ausgedrückt.
Konkrete Initiativen, dem Morden Einhalt zu gebieten, seien
jedoch nicht ergriffen worden. "Unter deutschem EU-Vorsitz sind
weitere nichts sagende Betroffenheitsadressen verabschiedet
worden, obwohl das Europaparlament in Resolutionen am 28.
September 2006 und am 15. Februar 2007 gezielte Sanktionen gegen
die Verantwortlichen der schweren Menschenrechtsverletzungen im
Sudan gefordert hat", kritisierte Delius. Mit leeren
Versprechungen und Worten, denen keine Taten folgen, lasse sich
der Völkermord in Darfur nicht beenden.
Ein Übergreifen des Darfur Konfliktes auf den Tschad und
die Zentralafrikanische Republik habe die EU trotz des
großen politischen Einflusses europäischer Staaten in
diesen beiden Länder nicht verhindern können. Dort
werde die humanitäre Versorgung der Darfur-Flüchtlinge
und der Binnenflüchtlinge immer schwieriger. Auch in Somalia
sei die EU mit ihren Friedensbemühungen kläglich
gescheitert. Zu spät habe man sich gegen die
militärische Intervention Äthiopiens engagiert, die den
Krieg im Nachbarland geschürt habe. Somalia versinke nun
immer mehr in Chaos und Anarchie, denn die EU habe die somalische
Übergangsregierung nicht zur Bildung einer
repräsentativen Regierung veranlassen können, die alle
ethnischen Gemeinschaften einschließe. Zu wenig nutze die
EU auch ihren Einfluss in Norduganda, um den Konfliktparteien
Europas Interesse an einem Ende des seit 20 Jahren andauernden
Krieges deutlich zu machen.