Bozen, Göttingen, Berlin, 23. April 2008
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll
sich in Peking nicht nur für die Tibeter, sondern auch
für die verfolgten und unterdrückten Uiguren in
Xinjiang einsetzen. Diese Forderung haben Exil-Uiguren
während einer von der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) unterstützten Mahnwache am Mittwoch vor
dem Brandenburger Tor in Berlin erhoben. Bei der Vertretung der
EU-Kommission in der deutschen Hauptstadt reichten sie zuvor
einen entsprechenden Appell an Barroso ein, der am Donnerstag mit
acht seiner Kommissare in China erwartet wird.
Die GfbV forderte außerdem eine Neuorientierung der
China-Politik der EU.. Sie solle sich konsequenter an den
Menschenrechten orientieren und den Machthabern in Peking
kompromisslos deutlich machen, dass Europa größten
Wert auf die Gewährung der Glaubens- und Meinungsfreiheit
für alle Volksgruppen und Religionsgemeinschaften in der
Volksrepublik lege. Dies könne nur mit einem
"Schulterschluss für Menschenrechte" glaubwürdig
gelingen.
Die mindestens zehn Millionen Uiguren im Nordwesten Chinas, die
ihre Heimat Ostturkestan nennen, leiden seit Jahrzehnten unter
Willkür und staatlicher Gewalt, berichtete die GfbV. Diese
muslimische Volksgruppe werde von den Behörden immer wieder
pauschal als "terroristisch" diffamiert, die Organisationen der
Uiguren würden selbst im Ausland kriminalisiert. "Mit
beschämendem Erfolg: Seit Jahren werden 17 Uiguren nur
deshalb noch im US-Gefangenenlager Guantánamo
festgehalten, weil sich kein Staat bereit erklärt hat, sie
gegen den Willen Pekings aufzunehmen", kritisierte der
GfbV-Asienferent Ulrich Delius. Bei einer Abschiebung nach China
drohe ihnen die Todesstrafe.
Nach Angaben der GfbV werden nirgendwo sonst in der Welt so
viele Menschen aus politischen Gründen zum Tod verurteilt
wie in Ostturkestan: Seit 1998 wurden mindestens 700 Uiguren
deshalb hingerichtet. 8.000 gelten seit der Niederschlagung von
Protesten in der Stadt Ily als vermisst. 2006/2007 gab es rund
16.000 uigurische Gewissensgefangene. Wer sich für Sprache,
Kultur und Religion der Uiguren einsetzt, gilt als "Terrorist".
Allein seit dem 23. März wurden mindestens 760 Uiguren
festgenommen. Auf einem dreitägigen Kongress der
Exil-Uiguren in Berlin, der am Mittwoch zu Ende ging, hatte die
Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren, Rebiya Kadeer,
die friedlichen Absichten des Dachverbandes erneut unterstrichen.
"Unsere Antwort auf die brutalen Zwangsmaßnahmen kann nur
friedlicher Widerstand sein", sagte die Menschenrechtlerin. Sie
war wegen ihres Engagements selbst mehrere Jahre in chinesischer
Haft.